Dienstag, 17. Juni 2014

Was tun wenn Primadonnas die gute Laune verhageln

Es gibt Tage, da wacht man morgens auf und man spürt instinktiv, dass es nicht viel braucht, um das Gefühl zu haben, mit beiden Beinen verkehrt herum aufgestanden zu sein.
Es fehlt nur noch der unbedachte Spruch einer Primadonna, egal ob diese in männlicher oder weiblicher Form auftaucht, und die eigene Stimmung rasselt wie ein Fahrstuhl mit gekappten Seilen in den Abgrund.

An diesem Morgen trifft Primadonna ausgerechnet auf meine kleine Wenigkeit und befreit sich verbal von der gigantischen Laus, die ihr über die Leber läuft.
Danach geht es Primadonna besser ... und mir schlechter.
Ich bin zwar nicht wirklich verantwortlich für den Blutsauger auf Primadonna's Leber, werde aber für schuldig befunden, da ich ganz offensichtlich unfähig bin, etwas gegen Läuse im Allgemeinen oder im Besonderen zu tun.

Ich greife zum Telefonhörer.
Bei solchen Notsituationen kann nur die Beste Freundin helfen. Sie hat, wie immer, nicht nur ein offenes Ohr, sondern einen praktischen Rat.

"Da hilft nur eins. Putzen!"
"Wie jetzt, putzen?" fragte ich verblüfft.
"Wenn man so richtig wütend ist, dann hilft nur putzen. Du wirst erstaunt sein, wie spiegelblank deine Kacheln und Waschbecken werden, wenn du dich ungerecht behandelt fühlst."



Ist es wirklich so einfach?
Kann ich die negative Energie, die in mir tobt dazu benutzen, etwas Positives daraus zu machen?

Da ich nichts zu verlieren habe, suche ich mir Schrubber, Putzeimer und Staubsauger zusammen und hiefe alles in die zweite Etage unseres normannischen Landhauses.
Mit meinem Schlafzimmer fange ich an. Dann geht es dem Bad, dem Flur, der Treppe an den Kragen.





In meinem Kopf laufen die Hamsterräder auf Hochtouren und ich hadere mit der Ungerechtigkeit die mir widerfahren ist. Seltsamerweise tut es gut, die Wut bewusst zuzulassen.
Laut fluchend und wild den Putzlappen schwingend, fliege ich auf meinem Besen durch unser Haus.

Die Stunden verfliegen und Zimmer für Zimmer verbreitet sich nicht nur Sauberkeit, sondern auch meine Gedanken sortieren und ordnen sich.

Erschöpft und nassgeschwitzt komme ich und mein Besen unten in der Küche an und während ich mich über die Wasserflasche stürze, um meinen Durst zu stillen, bemerke ich erleichtert, wie ich die Wut in meinem Bauch buchstäblich weggeputzt habe.

Ich habe begriffen, dass ich nicht als genereller Schädlingsbekämpfer geboren wurde, und ich nicht immer für den Befall sensibler Pflänzchen verantwortlich gemacht werden kann.
Jetzt muss ich nur noch den Mut aufbringen, das den Primadonna's dieser Welt beizubringen.





Glücklich erfüllt von dieser Erkenntnis, schreibe ich  der BF eine kurze Mail und berichte ihr dankbar, wie ich es tatsächlich geschafft habe, die negativen Schwingungen in saubere Badezimmer, aufgeräumte Schlafzimmer und in ein durchgewischtes Treppenhaus zu verwandeln.

Doch Primadonna ist diese Woche auf dem Kriegspfad und nörgelt sie sich nur wenig später erneut in mein Leben.



Pech für mich, dass ich einige Tage zuvor, bei einem ungeschickten Manöver im Garten ausrutsche, mit dem Oberkörper auf einer Stahlkante lande ... und mir eine Rippe breche.
Jetzt ist dreiwöchige Schonung angesagt und ich muss Besen, Staubsauger und Co erst einmal stehen lassen.
Nix mit Putzen!
Nix mit schlechte Energie in positive Schwingungen und eventuell saubere Fenster - die hätten es auch mal wieder nötig - umwandeln!




Stattdessen drehen die Hamsterräder in meinem Kopf wieder ihre unaufhörlichen Runden und ich wünschte mir, es gäbe einen Schalter, um diese verdammten Dinger, wenigstens für ein paar Stunden, zum Anhalten bringen zu können.

Ich schnappe mir die Hundeleine und die Gummistiefel.
Vielleicht gelingt es mir ja beim Laufen durch den Wald meine negativen "vibes", die eigentlich gar nicht meine sind, nur im Moment ganz offensichtlich wie Pech und Schwefel an mir kleben, loszuwerden.
Im letzten Moment, denke ich an meinen Fotoapparat.

In meinen stylischen Gummistiefeln forsch voran schreitend, so weit das mit einer gebrochenen Rippe überhaupt geht, laufe ich achtlos an einem, einsam am Wegesrand stehenden Fingerhut vorbei.




Wohl wissend, dass es sich hier um eine hochgiftige Pflanze handelt, die in der Volksmedizin aber als Mittel gegen Herzinsuffizienz bekannt ist, bin ich  viel zu aufgebracht, um seine Schönheit bewusst wahr zu nehmen.
Dann ein zweiter und ein wenig weiter ein dritter.
Kerzengerade und hochaufgeschossen steht er da. Stolz präsentiert er mir seine lila, traubenähnlich angeordneten Blüten in mitten von eher langweilig anmutenden Gräsern, Scharbockskraut und Löwenzahn.


Irgendwann kommt mir der verrückte Gedanke, dass mich das Universum vielleicht ganz absichtlich auf diese Pflanze aufmerksam macht.
Ich drücke auf den Knopf meiner Kamera und mit einem kleinen "Bling" ist sie startklar.

Während ich den Fingerhut heranzoome und durch den Sucher staunend die malerischen Farbkleckse innerhalb jeder einzelnen Blüte betrachte, werde ich mir auf's Neue bewusst, (Fotoshoot Pont Audemer)  wie oft man an "gewöhnlichen" Dingen vorbei rauscht,  weil die Gedankenräder im Kopf so laut drehen, dass man die Aussenwelt nicht mehr wahr nimmt.

Könnte der Fingerhut ein Zeichen vom Universum sein, mich mehr um meine innere "Herzschwäche" zu kümmern?
Mir, anstatt mich über Pippifax aufzuregen, meinem "Außen" mit mehr Herzenswärme zu begegnen und dankbar für die vielen wunderschönen, kleinen aber feinen Dinge in meinem Leben zu sein?
Nachdenklich folge ich den Hunden über den Feldweg nach Hause.

Wieder zuhause stecke ich die Speicherkarte in den Rechner und mir geht das Herz auf, so überrascht bin ich, wie schön die Bilder von "meinem" Fingerhut geworden sind.
Nicht nur das Bokeh ist gelungen, sondern ich habe doch tatsächlich die kleine Schwebfliege im Anflug erwischt. Auch die aktive Ameise, die frisch fromm fröhlich auf dem Fingerhut herum turnte, hat sich auf meinem Digitalbild für einen Moment der Ewigkeit festhalten lassen.

Gegen so viel Schönheit hat selbst eine nörgelnde Primadonna keine Chance.

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