Sonntag, 10. August 2014

Normannische Brücken

Eine private Plantanenallee auf der D39
Heute ist Sonntag und Tropensturm Bertha nähert sich mit einer dicken, grauen Wolkenwand der normannischen Küste.
Wir wohnen im Inland, circa 30 km von der normannischen Kanalküste entfernt und der Blick aus dem Küchenfenster bestätigt die düstere Wettervorhersage von gestern.
"Sorry Doggies!"
Die Hunde kennen den Tonfall und trotten enttäuscht Richtung Hundekorb, aber bei dem Wetter habe ich keine Lust, mich über von Traktorreifen tief zerfurchte und bis zum Rand mit Regenwasser gefüllte Feldwege zu quälen.
Da wird der allmorgendliche Spaziergang sogar für Hartgesottene wie mich zum Spießrutenlauf. Leider kann man nie abschätzen, wann die Profilsohlen der Gummistiefel dem rutschigen Lehmboden die Stirn bieten.
Es wäre nicht das erste Mal, dass ich die Tiefe einer Pfütze falsch einschätze, dementsprechend mit einem plötzlichen Ruck das Gleichgewicht verliere, und mich unsanft auf meinen nicht mehr ganz so jungen Allerwertesten setze.
Oder, noch erniedrigender, mich nach vorne mit Schwung auf meine Knie katapultiere, die Händen bis zu den Ellenbogen tief im Schlamm.
Sehr zur Belustigung der auf den Feldern stehenden Rindviecher, versteht sich.
Die galoppieren erst erschreckt auseinander, um sich dann im Pulk muhend am Stacheldraht zusammen zu rotten und mich mit ihren großen, braunen Augen misstrauisch beäugen, während ich versuche, mich mehr schlecht als recht und unelegant aus dem Schlamm zu befreien.
Ich schwöre: Ich habe die eine oder andere Kuh schon hämisch grinsen sehen.

Nein!
Vielen Dank!
Darauf habe ich heute so gar keine Lust.


Seenlandschaft im Tal der Risle
Leider scheint meine Aversion gegen den Regen auf Gegenseitigkeit zu beruhen.
Irgend ein Kabel Richtung Scheune und Co mag die massive Feuchtigkeit nicht und nun fliegt mir seit ein paar Tagen in regelmäßigen Abständen die Sicherung in der Küche heraus.
Aber: Einfallsreichtum und Fatalismus sind normannische Tugenden und jetzt steht die Kaffeemaschine eben neben mir auf dem Schreibtisch im Wohnzimmer.
"Dumm darf der Mensch sein," sagte schon mein Großvater, Gott habe' ihn selig, "er muss sich nur zu helfen wissen."






Wie gut, dass ich gestern meinen inneren Schweinhund überwinden konnte, spontan meinen Fotoapparat und Mamalu ins Auto packte, um zum Leuchtturm auf die Anhöhen von Saint Samson de la Roque zu fahren.


Bevor ich gleich von dem gigantischen Ausblick und den zwei großen, normannischen Brücken berichte, erst ein bisschen Vorgeschichte zu meiner neuesten Errungenschaft.

Blick auf das Tal der Risle und Pont Audemer
In einem Anfall von Größenwahn habe ich mir vor ein paar Wochen einen neuen Fotoapparat gekauft. Eine CANON SX50.
Beim Anblick der ellenlangen Beschreibung habe ich postwendend die Flinte ins Korn geworfen.
Sollte digitale Fotografie nicht das Leben erleichtern?
Die vielen Knöpfe und Menü-Einstellungen waren aber extremst einschüchternd.
In meiner Verzweiflung, das Teil war schließlich nicht ganz billig, gab ich bei YouTube CANON SX50 ein und entdeckte zwei super nette Fotografen, die sich die Mühe machen, mir in unzähligen Tutorials,  in einfachen Worten ohne fotografisches Mumbojumbo, meine Kamera zu erklären.

Mike Browne, seines Zeichens  Engländer, erinnert mich mit seinem Humor ein bisschen an Billy Conolly, ein bekannter schottischer Komödiant.
Marius van der Westhuizen seines Zeichens Südafrikaner, trug mit seiner intuitiven Art und Weise das Schwierige einfach zu erklären ein wesentliches dazu bei, dass ich mich in meinen Fotoapparat verliebe. Wie schön, dass ich Hunderte von Euroleins nun doch nicht aus dem Fenster geworfen habe. 

Aber, auch hier gilt, alles Video schauen macht natürlich wenig Sinn, wenn man das Gelernte nicht umsetzt, und da kam mir der nahe gelegene Leuchtturm und das große Sonnenloch im Himmel gerade recht.


Phare de la Roque
Von Pont Audemer aus fährt man auf der D39 Richtung Saint Samson de la Roque stur gerade aus.
Es lohnt sich, langsam zu fahren und den Blick immer wieder nach links ins Tal der Risle zu richten. Es gibt dort auf halber Strecke eine imposante Allee, gesäumt von Plantanen, die man schnell verpasst, wenn man die Strecke zu zügig entlang fährt.
Der Leuchtturm selbst ist weniger spektakulär.
Er wurde im 19. Jahrhundert gebaut und sitzt 50 Meter oberhalb der Kreidefelsen über der Seine-Mündung. Zuvor befand sich an dieser Stelle eine Kapelle, die im späten 18. Jahrhundert aber leider einem Erdrutsch zum Opfer fiel.
Eine 1839 errichtete Signallanterne half den Schiffen in der Nacht ihren Weg stromaufwärts bis nach Rouen zu finden. 1850 wurde diese vom dem Leuchtturm ersetzt.
Er ist seit 1909 außer Betrieb.



Pont de Normandie





Der atemberaubende Blick über die Seine-Mündung ist eine Reise-Stop wert.
Von der Klippe auf dem der Leuchtturm steht, erstreckt sich der Blick im  270° Winkel nicht nur über das Tal der Risle und beide normannische Brücken, die Pont de Normandie und die Pont de Tancarville, sondern an klaren Tagen bis hin zu Le Havre und Honfleur.
Ein gutes Fernglas ist allerdings zu empfehlen.
Ich hatte es an diesem Tag vergessen und konnte mich nur auf den Superzoom meiner Canon verlassen.
Die Pont de Normandie ist die grösste Schrägseilbrücke Europas und wird als Wunderwerk der Technik gefeiert. Wer möchte, kann die Brücke auch zu Fuß oder mit dem Fahrrad überqueren. Aber Achtung! Die Winde sind nicht ganz ungefährlich.




Pont de Tancarville
Man kann es sich heute kaum noch vorstellen, aber bis 1959 existierte oberhalb von Rouen keine Brücke, die über die Seine führte. Eine der Fähren die damals für die Überfahrten zuständig waren ist auch heute noch in Betrieb. Dass "Le bac de Quillebeuf", etwas unterhalb der Pont de Tancarville, Richtung Rouen, auch heute noch fährt, ist der normannischen Sturheit der Bewohner der nah gelegenen Dörfer zu verdanken, die einfach nicht auf die schnelle und bequeme Art des "Flussüberquerens" verzichten wollten.
Außerdem ist die Fähre seit 2005 umsonst, was kein unwesentlicher Vorteil ist.


La Seine

Phare de la Roque
Um den Phare de la Roque herum ist ein leicht verwilderter aber großzügiger Picknickplatz angelegt. Anscheinend ist er ein beliebter Treffpunkt der lokalen Oldtimerfahrer.
Wer also Zeit hat und die zwei großen normannischen Brücken in ihrer vollen Pracht auf einen Blick genießen möchte, sollte sich die Zeit für diesen Abstecher nehmen.
Es lohnt sich.
Versprochen.

Oldtimer
Ich wünsche Euch allen einen schönen Sonntag


1 Kommentar:

France Easy hat gesagt…

Ein sehr schöner Artikel und wie immer mit guten Fotos! :-)
macht spaß zu lesen ;-)

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Kommentare salzen meine Bloggersuppe ...

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