Donnerstag, 6. Mai 2010

Schilddrüsenunterfuntion

„Ich sehe aus wie meine eigene Großmutter, nur locker 10 Jahre älter“ beschwere ich mich kürzlich bei Bester Freundin.
BF  glaubt mir natürlich kein Wort, da sich meine Stimme am Telefon wohl noch immer recht jugendlich und frisch anhört. Trotz Baujahr 57.
Da war ich allerdings schon einige Stunden wach und hatte mindestens drei Tassen Kaffee intus. Hätte mich BF beim morgendlichen aus dem Bett quälen erlebt, hätte sie mir freiwillig ein Leichentuch zwecks baldiger Benutzung  gereicht.
Seit Monaten ist der erste Blick in den Spiegel ein Schock.
Meine Haut ist fahl und trocken. Die Augen trübe und dick geschwollen. Die feine Haut drumherum , bis dahin nur von vereinzelten Lachfältchen markiert, frisch in tausend Furchen gepflügt.
Ein Acker sieht jünger aus.
Die neue Antifalten Creme ist ein Witz und ich ertappe mich immer öfter dabei,  über Botox nachzudenken.
Ich bin müde, schlapp, erschlagen. Ich habe das Gefühl, in der Nacht, ohne mein Wissen, einen Marathon gelaufen zu sein. Alles tut weh. Jedes einzelne Gelenk im Körper schmerzt und ich klammere mich an das Waschbecken und frage mich: Wie um alles in der Welt soll ich den Tag überstehen?
Sind das die Wechseljahre? frage ich mich voller Grauen.
Und wenn Ja, wie lange dauert das?
Sorgen die dafür, dass man quasi über Nacht um Jahrzehnte altert?
Wann hatte ich das letzte Mal meine Tage? Ist schon mehr als nur ein Weilchen her.
Ich putze mir lustlos die Zähne und versuche zu retten, was zu retten ist. Viel ist es nicht.
Das Make-up sieht fleckig aus, die Wimperntusche verkleinert die Augen optisch noch mehr.
Ich humpele langsam, ich sage es doch: meine Großmutter ist im Vergleich zu mir ein Frühlingshühnchen, die Treppen herunter, um die Hunde in den Garten zu lassen und das Frühstück vorzubereiten.
Ich habe Angst meinen Kindern unter die Augen zu treten.
Werden sie denken: Gott, die Mami ist aber plötzlich alt geworden!?
Den Tag überstehe ich mehr schlecht als recht. Am liebsten würde ich die nächsten 16 Stunden  nichts tun!
Jede Aufgabe, erscheint mir als unüberwindbares Hindernis. Eigentlich müsste ich mit den Hunden spazieren, denn die Waage zeigt unerbittlich an, dass ich schon wieder ein Kilo zugelegt habe.
Sogar meine aller weiteste Hose sitzt prall und fest um mein Hinterteil und stellt Jennifer Lopez‘ serious booty locker in den Schatten.
Aber allein bei dem Gedanken an die schweren Gummistiefel verlässt mich der Mut.
Auch meine Scrapbooking Schüler Freundinnen bemerken, dass ich nicht „en forme“ bin.
Später werden sie mir gestehen, dass sie befürchteten, ich würde bald alles hinschmeißen.
Ich bin kurz davor.
Meine sonst so rege Phantasie, die normalerweise vor Ideen schneller übersprudelt als ich sie verwirklichen kann, liegt völlig brach.
Da es so nicht mehr weitergehen kann, beschließe ich zum Arzt zu gehen.
Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob meine reizende Hausärztin, die mich seit zwanzig Jahren kennt,  mit meinen Allerweltssymptomen was anfangen kann:
„Ich bin so müde, dass ich heulen könnte. Mir tut alles weh. Das bin nicht mehr ich“ sind nicht gerade aussagekräftige Hinweise auf eine spezifische Krankheit.
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er viel erzählen
Wenn einer eine Krankheit hat, auch.
Die Zwischenstopps in meinem „Reisebericht“ sind für Nicht-Betroffene extrem uninteressant. Deshalb gleich der Sprung zum Happy End.
Ich werde von meiner Hausärztin an einen super sympathischen, kompetenten Internisten in Lisieux verwiesen, bei dem ich nicht das Gefühl habe, dass ich seine wertvolle Zeit verplempere und er mich im Anschluss von Pontius zu Pilatus schicken wird. Er nimmt sich geschlagene 90 Minuten Zeit für mich und kommt sehr schnell zu dem Schluss: ich bin ein Paradebeispiel für Schilddrüsenunterfunktion
Das kenne ich!
Leidet meine Mutter seit dreißig Jahren recht erfolgreich an dieser Krankheit.
Er verschreibt mir Tabletten, mit denen nun auch ich Bis-das-der-Tod-euch-scheidet „verheiratet“ bin.
Nur zwei Tage später stehe ich in meinem Garten, bewaffnet mit schweren Gummistiefeln, Gartenhandschuhen und Spaten. Ich grabe und grabe und grabe. Der Schweiß rinnt mir von der Stirn in die Augen und die Regenwürmer suchen verschreckt das Weite. Der kräftige Duft von schwerer Lehmerde steigt mir in die Nase und ich bin unglaublich glücklich.
Nach vielen, vielen Monaten endlich wieder Kraft und Energie zu spüren und Leidenschaft zu haben, für das, was mein Leben ausmacht. Der komisch graue Schleier in meinem Schädel, der die Welt so lange trostlos hat aussehen lassen, ist wie weggeblasen.  Alles erscheint mir wieder hell und fröhlich.
Ich kann immer noch nicht ganz glauben, dass eine winzige Tablette, die meine Schilddrüse in ihrer Arbeit fortan unterstützt, schlagartig solche positiven Auswirkungen haben kann.

Hoch lebe die moderne Medizin.

PS: Meine Tage sind wieder da - die Wechseljahre können also noch ein bisschen warten.
Die Antifaltencreme ist im hohen Bogen im Müll gelandet.
Der morgendliche Blick in den Spiegel zeigt mir wieder eine sehr jugendliche Fünfzigjährige, die an guten Tagen mindestens 10 Jahre jünger aussieht !
Und heute Morgen habe ich das die-Treppe-runter Wettrennen gegen meinen Hund gewonnen!



2 Kommentare:

Maik hat gesagt…

Das ist ja wirklich so toll geschrieben! Du solltest echt mal überlegen, ob Du solche Geschichten nicht sammelst und an eine Redaktion schickst!!!
Ich würde es dann sogar in Erwägung ziehen, mir mal eine Brigitte oder eine Freundin zu kaufen. Aber nur, wenn ein Artikel von dir drin ist. Sonst micht!
Gruß
maik

SallyB. hat gesagt…

da kann ich Maik nur Recht geben

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Kommentare salzen meine Bloggersuppe ...

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