Samstag, 12. Januar 2013

Moderne Enkelkinder

Ich kann mich noch daran erinnern, wie mein Vater in den späten 60ern nach Hause kam und uns stolz seine neueste Errungenschaft präsentierte: einen funkelnagelneuen Farbfernseher.
Ich sehe mich heute noch fasziniert im Schneidesitz auf dem Boden sitzen und ausnahmsweise am Abend das kunterbunte Treiben des Fernsehballett vom Zweiten Deutschen Fernsehens bewundern. Hatte ich bis dahin doch das Sandmännchen immer nur in Schwarzweiß zu sehen bekommen und wurde danach rigoros und ohne Erbarmen ins Bett geschickt.
Der nächste, für mich einschneidende technische Erinnerungsschnitt ist die Ankunft der Fernbedienung.
Auch da habe ich das Bild meiner Großmutter in ihrem geliebten Fernsehsessel  im Kopf, während ich, der junge und ungeduldige Teenager, ihr zu erklären versuchte, was das mit den vielen, bunten Knöpfen und den Zahlen von 1 bis 9 so auf sich hatte.
Wieder ein bisschen später, ich hatte das Pubertieren mittlerweile glücklich hinter mir gelassen und mich frisch in den SchoGa verliebt, da kamen die Videorekorder auf den Markt und alle Welt entsetzte sich darüber, dass man sich jetzt mit noch mehr Fernsehen die Zeit vertreiben müsste.
Danach ging es eigentlich irgendwie Schlag auf Schlag.
Eine technische Eroberung jagte die andere. Internet, E-mails, mobile Telefone, Amazon, Ebay, Facebook und Pinterest begleiteten mich bei dem Älterwerden, treiben mich manchmal in den Wahnsinn, aber helfen mir, geistig nicht zu verkalken.
Gestern waren wir bei Mamalu, deren Haus nach dem Mörder-Umzug nach Frankreich so langsam aber sicher und trotz der gigantisch vielen Kartons und viel zu vielen Möbeln, Stück für Stück wohnlich wird und das zweijährige Mondscheinkind grabbschte sich in einem unbeobachteten Moment eines der vielen Bilder in ihren irrsinnig teuren Rahmen von der pseudo-antiken Kommode.
Noch bevor ich einschreiten konnte, hatte sie sich, inklusive Foto von ihren Urgroßeltern in jungen Jahren, auf die Couch gerettet und sie schaute, das Bild fest auf beiden Seiten mit den kleinen Patschehändchen haltend, fasziniert auf den Mann neben Mamalu, den sie nie kennenlernen wird, da er vor 20 Jahren verstorben ist.
Ich gebe es ja zu, ich bin vernarrt in meine zuckersüße Enkeltochter und der Moment, wie sie da so ernst das Foto betrachtete war so niedlich, dass ich ihr die Zeit gab und einfach abwartete, bis es ihr zu langweilig werden würde, um das Bild in letzter Sekunde vor einem eventuellen auf den Boden fallen zu retten und auf seinen angestammten Platz auf der Kommode zurück zu stellen.
Tja und da war er wieder, der technische Einschnitt, mit dem ich an dieser Stelle und in diesem Moment im Leben nicht gerechnet hätte.
Das Mondscheinbaby ließ den schweren goldenen Fotorahmen mit einer Hand los ...mir blieb das Herz stehen und ich war sprungbereit ... und formte diese zu einer kleinen Faust mit ausgestreckten Finger. Dann strich sie immer wieder von rechts nach links über das kalte Glas und schaute mich mit ihren großen grünen Augen fragend an und runzelte ihre kleine Stirn. Ich brauchte einen Moment bis ich begriff, warum sie so frustriert schaute: das Bild blieb, trotz wiederholten darüber Streichens, immer das Gleiche.
Die Ipad Generation ist geboren.

4 Kommentare:

Babsi hat gesagt…

So was gibt es noch?
Ich könnte mich grad werwerfen vor Lachen. Du schreibst immer so genial.

gaby michaille hat gesagt…

kostlich Dein Mondscheinbaby ! Was schwarz-weiss- fernsehen betrifft, so sind wir wieder völlig retro (in unserer Bergwohnung in den alpen haben wir einen alten Fernseher stehen, und trotz TNT und allen technischen Mitteln können wir nur schwarz-weiss empfangen!
gaby

Caroline hat gesagt…

sehr schön! Ich seh das Mondscheinbaby da sitzen und das nächste Bild erwarten. Oh, sie war ein wenig enttäuscht! :-)

Maren hat gesagt…

*lol* Das ist der Kracher! Ich sehe es vor mir! Herrlich!

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Kommentare salzen meine Bloggersuppe ...

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