Donnerstag, 30. November 2006

NervigeTelefonwerbung

Ich bin ein höflicher Mensch.
Nicht nur, weil mich meine Mutter so erzogen hat, sondern aus Überzeugung.
Höflichkeit erleichtert mir den Umgang mit meinen Mitmenschen, besonders dann wenn ich sie nicht mag oder sie nervig finde. Ich tue mir selbst auch etwas Gutes. Höflich zu sein, zwingt mich ruhig zu bleiben und verhindert, dass mein Blutdruck in gefährliche Höhen schnellt.
Bei der neuerdings so beliebten Telefonwerbung hingegen, stoße ich an meine Grenzen.

Wir – mein schottischer Göttergatte und ich – leben seit rund drei Jahrzehnten in Frankreich und ich weiß nicht, ob sich das Phänomen auch in Good Old Germany verbreitet, aber seit ein paar Monaten  werden wir Franzosen mit Telefonwerbung regelrecht überschüttet.
In Frankreich ist es nicht unüblich, Leute die man telefonisch erreichen möchte, in der Mittagszeit anzurufen. Das wird nicht als unhöflich oder zwingend störend empfunden. Geschäftsleute, die zum Mittagessen nach Hause fahren, besprechen zu dieser Zeit nicht selten neue Aufträge mit anrufenden Kunden.

Die Callcenter beuten diese Gewohnheit schamlos aus und nutzen die Gunst der Mittagstunde, um ihre Ware an den Mann oder an die Frau zu bringen.
An diesem Tag fängt es ungewöhnlicher Weise schon am frühen Morgen an.
Ich habe gerade die Kinder in die Schule gebracht, da meldet sich ein Weinverkäufer mit einer sexy Sky Dumont Stimme und möchte mir seinen preisgekrönten Bordeaux schmackhaft machen. Ich hätte eine Flasche von seinem sagenumwobenen Wein gewonnen und könnte sie in JWD, auf irgendeinem Weingut abholen.

Aus Erfahrung weiß ich, dass ein einfaches Nein Danke nicht reicht und man ein Verkaufswerbegespräch nur dann beenden kann, wenn man einen triftigen Grund für Desinteresse vorweist.
Die Verfasserin des Gute Laune in Frankreich Blogs will ja nicht nur so tun, als hätte sie gute Laune, sondern diesen Grundsatz leben und da der gute Mann mit seiner sonoren Stimme am anderen Ende der Leitung auch nur seine Arbeit tut, ich aber nicht wirklich darauf erpicht bin, kilometerweit für eine Flasche Wein zu fahren, und sei der noch so preisgekrönt, erkläre ich ihm fröhlich aber bestimmt, ich sei leider Alkoholikerin und erst seit ein paar Wochen trocken.
Das Gespräch ist daraufhin relativ schnell beendet.

Wenig später, ich fülle gerade die Waschmaschine im zweiten Stock unseres alten normannischen Hauses, klingelt es erneut.
Das Telefon ist unpraktischerweise in der Küche im Erdgeschoss. Als Mutter von drei kleinen Kindern hat man immer im Hinterkopf, irgendetwas Schlimmes könnte passiert sein, was im Klartext heißt: klingelt das Telefon, muss ich antworten.

Ich stürme hektisch die leicht schiefen Stufen der mit alten tomettes  gekachelten Holztreppe hinunter und liefere mir dabei ein nicht ganz ungefährliches Wettrennen mit unseren zwei Hunden. Egal wo im Haus ich mich befinde, die Hunde sind grundsätzlich in meiner Nähe und das Spiel: wenn es klingelt rennen wir alle wie wild die Treppe herunter finden sie wahnsinnig amüsant. Leider bleiben sie oft mitten auf einem zufällig ausgesuchten  Absatz ruckartig stehen, um sicher zu gehen, dass ich auch wirklich bis ganz nach unten renne. Diesem fröhlich schwanzwedelnden Hindernis, welches  mich in meinem Momentum abrupt ausbremst, muss ich, um nicht ungewollt auf Pfoten oder Schwänze der dusseligen Viecher zu treten, durch einen halsbrecherischen Sprung auf die übernächste Stufe ausweichen. Irgendwann werde ich mir bei diesem Blödsinn das Genick brechen.

Außer Atem erwische ich den Telefonhörer noch bevor der Anrufbeantworter anspringt.
Es ist ein Gefrierproduktverkäufer von Eismann.
Ach? Die gibt es jetzt auch in Frankreich? Das war mir neu.
Noch bevor ich richtig begreife wie mir geschieht und erleichtert, dass es keine Katastrophenmeldung der Schuldirektorin ist, hat mich der Verkäufer in ein Gespräch über die hervorragende Qualität seiner Produkte verwickelt. Nicht ahnend, dass er da gerade einer Deutschen die Vorzüge von leckeren Käsesahne, Schwarzwälder Kirschtorte und Apfelstrudel anpreist, erklärt er mir, dass es sich bei seinen Gefriertorten um Spezialitäten handelt, die es in dieser Form sonst nirgendwo in Frankreich zu kaufen gäbe. Als er dann auch noch Laugenbrötchen und Brezeln anbietet, dem Franzosen leider gänzlich unbekannt, läuft mir das Wasser so sehr im Mund zusammen, dass ich beinahe schwach werde. Himmel! Wie komme ich aus dieser Nummer jetzt wieder raus?

Mit einem höflichen: „Tut mir leid, ihre Produkte interessieren mich nicht!“ lässt sich der Mann nicht abwimmeln. Kein Wunder! Glaube ich mir in diesem Moment ja selbst nicht. Einem Geistesblitz folgend erkläre ich ihm, dass ich leider keine Gefriertruhe besitze und in der nächsten Zukunft auch keine kaufen werde.
Ich gehe in die Küche und mache mir einen Kaffee, der mir hoffentlich hilft mich von meiner Schwindelei zu erholen, da klingelt das Telefon erneut.
Eine Dame, untermalt mit viel Knachsen und Knirschen in der Leitung, beglückwünscht  das Rentnerpaar C.  - damit meint sie uns! - bei einem Elektroanbieter eine Kaffeemaschine gewonnen zu haben.

Froh endlich mal die Wahrheit sagen zu können, bestätige ich, dass ich noch keine Rentnerin bin und sich mein Mann immer noch eines erfolgreichen Berufslebens erfreue.
Höflich und ehrlich, so wie es liebe, kann ich mich verabschieden und den Telefonhörer wieder auflegen.
Drrring, driiing!
Himmel und Herrschaft! Was ist denn heute nur los!
Diesmal habe ich eine Mikrowelle gewonnen. Wenn das so weitergeht, habe ich bald einen ganzen Hausstand zusammen.
Man(n) erklärt mir, dass ich das Gerät gemeinsam mit meinem Mann abholen kann.
Ich frage mich insgeheim, ob sich der Aufwand bei den heutzutage günstigen Preisen der Mikrowellen lohnt. Aber schließlich gewinnt man nicht alle Tage bei einem Preisausschreiben, bei dem man gar nicht mitgemacht hat.

Wir vereinbaren einen Abholtermin und ich weise den reizenden Mann am anderen Ende darauf hin, dass ich ohne meinen Göttergatten komme, da dieser im 160km entfernten Paris arbeitet.
„Ah bah non! Ce n’est pas possible!“  Das ist nicht möglich! bekomme ich zu hören.
„Wie, das ist nicht possible?“
„Sie können die Mikrowelle nur mit ihrem Mann gemeinsam abholen!“
“Ich kann nicht alleine kommen?“
“Nein! Nur mit ihrem Mann!“
Ich bin ein bisschen verstört. Bin ich als Frau allein nicht in der Lage einen Gewinn abzuholen? Ich bin mir durchaus im Klaren darüber, dass das mit dem „Gewinn“ eine Masche ist, um mich in irgendein Möbelhaus zu locken. Man hofft, dass ich mich vor Ort Hals über Kopf in ein Möbelstück verliebe, um mit der gewonnen Mikrowelle in der einen und einer völlig überteuerten Rechnung in der anderen Hand, den Ort des Geschehens zu verlassen. Glaubt der Typ am anderen Ende der Strippe wirklich, dass ich mich nicht alleine für einen Schrank entscheiden könnte. In welchem Jahrzehnt leben wir denn?
„Tut mir leid, mein Mann kann unter der Woche nicht, der arbeitet in Paris“.
„Auch am Wochenende?“
„Auch am Wochenende!“
„ Ah bon! Désolé! Der Gewinn kann nur an ein Ehepaar ausgehändigt werden.“

Es klickt in der Leitung und ich schaue völlig perplex auf den stillen Telefonhörer in meiner Hand. Da geht sie hin, meine neue Mikrowelle.
Ich habe ein paar Stunden Verschnaufpause.
Dann erwischt sie mich.
Die nervig penetrante Stimme mit asiatischem Akzent, die so schnell spricht, dass ich arme ausländische Deutsche selbst nach dreißig Jahren Frankreich nur Bahnhof verstehe.
Ich ertrage mit wachsender Ungeduld die Jampfjetstimme an meinem Ohr, die versucht   mich über meinen Telefonanbieter auszufragen.
Ich antworte, ich sei bei Cegetel, sehr zufrieden und dass ich nicht die Absicht hätte, zu wechseln. Ob ich denn nicht wüsste, dass Tele 2 vieeeeel billiger sei.
 „Sorry, das interessiert mich nicht, ich möchte nicht wechseln.“
Tele 2 würde aber per Sekunde abrechnen und dass sei schließlich in meinem Interesse.

Ich versuche es ein letztes Mal in höflich, bemerke allerdings, wie sich ein leicht drohender Unterton in meine Stimme schleicht:
„Mag ja sein, aber ich möchte nicht wechseln!“
Das wäre aber sehr dumm. Ich solle doch gefälligst so höflich sein, ihr zuzuhören, damit sie mir erklären könne……
Ich schnappe empört nach Luft und drücke den Knopf.
Den, der das Telefon abschaltet.
Wohltuende Stille umgibt mich plötzlich.
Habe ich ein schlechtes Gewissen.
Nein!
Ich muss mich nicht beleidigen lassen. Schon gar nicht von so einer Tussi aus einem Callcenter.

1 Kommentar:

Maren hat gesagt…

Ich bin da inzwischen auch total abgebrüht,- und verfolge eine ähnliche Taktik wie Du. Als sie mich mal zu Wer wird Millionär'? nötigen wollten, und mit der Frage anfingen, ich würde doch den Jauch bestimmt auch total gerne mögen, hatte ich den Joker, ich antwortete prompt, Nee, ich könne den nicht leiden. Damit hab ich denen den Wind aus den Segeln genommen. Und bei Glücksspielen probier es mal mit der Antwort, das Du aus religösen Gründen das Glücksspiel ablehnst!

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