Ich hatte gestern einer dieser Internetrundschreiben in meinem Postkasten.
Die von der Sorte: früher war alles viel besser!
Früher ging man in den sympathischen Käseladen, mit der sympathischen Verkäuferin, die einem sympathischen Käse verkauft.
Heute geht man in den schrecklichen Supermarkt, in dem man mit einem schrecklich funktionierenden Einkaufswagen, mit vielen anderen schrecklichen Leuten an der schrecklichen Kasse, schrecklich lange warten muss warten muss.
Früher flog man mit einer sympathischen Stewardess, in einem netten kleinen Flugzeug und bekam Sterne Koch-Essen serviert.
Heute fliegt man im schrecklichen Großraumflieger, mit genervten Flugbegleiterinnen, die gequält lächelnd dem Gast in Plastik gehüllte, undefinierbare Mahlzeiten servieren.
Ich habe nur der ersten paar Zeilen gelesen.
Dann fand ich, hatte ich genug.
Ich kam mir vor wie bei meiner Oma, die mir als Jugendliche immer von den besseren Zeiten vorschwärmte und, somit schlussfolgernd, die Zeit, die sie gerade mit ihrer Enkelin verbrachte, als schrecklich empfand. Wenn es mich gar zu sehr nervte, bekam sie von mir folgende Antwort:
„Klar Ömchen! Früher war alles besser! Mit zwei Weltkriegen im petto, war das Leben damals die reinste Freude!“
Hinterher hatte ich, ob meiner patzigen Reaktion ein schlechtes Gewissen, schließlich war meine Oma damals um die achtzig und sie hatte natürlich das Recht, mit einer rosaroten Brille ihre Jugend zu betrachten.
Gestern stellte ich mir vor, wie dieses Rundschreiben, die vielen kleinen Computerleins erreicht und die Leser dieser Mail , wie meine Oma, wehmütig lesend, innerlich permanent zustimmend mit dem Kopf nicken. „Ach ja 1969 war alles besser!“ Eigentlich fehlen den Lesern nur noch die überdimensionale Brille und die kurzen, mit fester Dauerwelle eingedrehten, silbergrauen Haare!
Mal ganz abgesehen davon, dass 1969 dieses Rundschreiben keine Computer erreicht hätte - darf ich daran erinnern, dass es die damals in der jetzigen Form noch nicht gab - ich bin doch noch keine 80jährige Oma!
Ist denn die zunehmende Angst vor Veränderung nicht ein Zeichen dafür, dass wir alt werden?
Ich fühle mich mit meinen 50 und paar Zerquetschten aber ehrlich gesagt noch quietschfidel und hätte überhaupt keinen Bock darauf, in einer Zeitmaschine ins Jahr 1969 zurückzureisen.
Mit ein bisschen Pech würde ich nämlich mitten im Vietnamkrieg landen!
Wer Lust hat, kann bei Wikipedia – gab es früher übrigens auch nicht! - nur mal das Jahr 1969 nachlesen und merkt schnell: rosige Zeiten waren früher! Politisch gesehen, war da nämlich die Hölle los.
Aber genau das ist doch der springende Punkt.
Rosige Zeiten waren immer früher!
Wenn unsere Kinder mal Großeltern sind, werden sie an heute zurückdenken und sagen:
Ach Kind, was ist die heutige Zeit so schrecklich! Früher war alles viel schöner!
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