Montag, 15. März 2010

Französische Powerfrau

In Frankreich gibt es noch viele kleine Lebensmittelläden, die es schaffen, sich, trotz  großer Konkurrenz der Supermärkte und  dank des großzügigen Ladenschlussgesetzes, doch noch irgendwie über Wasser  zu halten. Sie sind ein fester Bestandteil französischen  Lebenskultur und es ist beruhigend zu wissen, dass es nicht tragisch ist, wenn man am Sonntagmorgen feststellt, dass die Butter ausgegangen und das sonntägliche Frühstück somit gefährdet ist.
Wenn nicht im eigenen, dann dann doch im Nachbardorf, gibt es entweder „ l’Arabe“  (- kleine Lebensmittelläden, meist von Nordafrikanern geführt-)  oder aber eben Tante Emma.
Und bis auf die hochheilige Mittagspause von 12 – 14Uhr  sind diese Läden fast rund um die Uhr geöffnet.
Und somit war Madame Desprez mit ihrer „Alimentation“  auf der Route de Quilleboeuf zwischen meinem Dorf und Pont Audemer ein fester Bestandteil meiner französischen Einkaufskultur. Natürlich habe ich dort nicht meinen Wocheneinkauf getätigt, dazu ist meine Familie viel zu gross. Aber die ein oder andere Banane, Liter Milch oder schlicht und ergreifend das Baguette zum Abendessen, veranlasste mich oft, bei Madame Desprez hereinzuschauen. Die alte Dame war mit ihren über 80 Jahren noch erstaunlich fit, immer freundlich und erinnerte mich an meine längst verstorbene Großmutter.
Ich war richtig bestürzt als ich erfuhr, dass der kleine Laden an der Stassengabelung Richtung Le Havre nun für immer die Pforten schließt. Schlimmer noch. Der alte Laden weicht der Göttin Automobil, die den Platz für eine neue Kreuzung für sich beansprucht.
Hier ein paar Fakten über Mamdame Deprez und ihr Geschäft aus der Lokalpresse, die mich, ob dieser französischen Powerfrau, nur staunen lassen:
Mme Deprez führte den Laden von morgens um 7Uhr bis abends um 20Uhr.
62 Jahre lang.
Das ganze Jahr über.
Gleichzeitig führte sie bis 1990 das daneben liegende Café– Tabac und kümmerte sich um die Erziehung ihrer 5 Kinder.
Ihr Mann arbeitete in einer Samenhandlung als Lastwagenfahrer. Erst, als er überraschend stirbt, gibt sie das Café auf und führt fortan nur noch den Laden.
Sie entschließt sich, ihn wenigstens an einem Tag in der Woche zu schließen.
Sie steht jeden Morgen um 5H30 auf und geht um 22H ins Bett
Von der 35 Stunden-Woche sagt sie, sie habe sie in zweieinhalb Tagen erledigt.
In diesen ganzen Jahren fährt sie nur dreimal in den Urlaub: nach Deutschland um ihren dort lebenden Sohn zu besuchen. Ihr längster Urlaub: 1 Woche zur Hochzeit ihrer Enkelin
Neben den unfreiwilligen Besuchen eines Lastwagens, sechs Autos und einem Motorrad, die die Kurve falsch einschätzten und deren Fahrt abrupt im Laden endete wurde sie mehr als 40 Mal überfallen und ausgeraubt.

Ich ziehe den Hut!
Ich werde sie vermissen, die alte Dame.



Das letzte Foto ist von dem bekannten Schweizer Fotograf Urs Blumer
Auf seiner Website gibt es noch viele ungewöhnliche Impressionen aus der Normandie zu entdecken. Mit diesem Foto hat er einen zeit-historischen Beweis verewigt.

Ich wünsche Euch eine schöne Woche.
Frühling liegt in der Luft!

1 Kommentar:

Bille hat gesagt…

Ich lass dir mal einen Kommentar hier, liebe Pia. Danke, dass du bloggst!! Auch dein heutiger Post war wieder sehr interessant.

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Kommentare salzen meine Bloggersuppe ...

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