Freitag, 22. Oktober 2010

Ich sehne mich so sehr nach....Routine!

Als Teenager trieb mich die tagtäglich, eintönige Routine meiner Eltern ab und an, an den Rand des Wahnsinns: 7 Uhr morgens aufstehen, um 8h frühstücken, anschließend eine Stunde mit dem Hund spazieren. Das Mittagessen stand um Eins auf dem Tisch - mein werter Herr Papa konnte sonst leicht ungnädig werden. Danach eine Stunde Siesta, danach nochmal Gassi mit dem Hund.
Spot-on um 4h: Kaffee trinken! Ganz heilig!  Um halb acht Abendbrot.
Diese zeitliche Anordnung stand so unerschütterlich fest, dass ich sie heute noch, viele Jahrzehnte später aus dem FF rezitieren kann.
Was mir als Teenager so auf den Zeiger ging, wäre zum jetzigen Zeitpunkt die Rettung in der Not für mein angekratztes Nervenkostüm.
Irgendwie läuft gerade mal wieder alles aus dem Ruder und ich sehne mich so sehr nach eintöniger  "Handlungsabfolge , die durch vielfältige Wiederholung zur Gewohnheit geworden ist" (wikipedia.de)
Das einzige was sich im Moment mit regelmäßiger Sicherheit wiederholt, ist das frühe Aufstehen. Ansonsten scheint unsere Haushexe, aus mir völlig unerklärlichen Gründen, auf dem Kriegspfad und ich habe das Gefühl, dass sie des nächtens auf ihrem Besen in der Gegend herum fegt und alles mit einem faulen Zauber belegt.
Kaum haben wir uns von dem plötzlichen Tod des einen Pferdes erholt, da meint ein anderes meinen chaotischen Alltag mit Nasenbluten noch ein bisschen aufpeppen zu müssen.
Nasenbluten bei Pferden - mir bis dato völlig unbekannt,  aber hey, ich bin ja lernfähig - ist  jetzt echt was ganz was Feines, weil man dem Viech ja schlecht sagen kann, es soll seinen Kopf in den Nacken legen und sich ruhig verhalten. Ergo ist im Stall alles blutverschmiert. Da große Tochter mit ihrer Ausbildung voll beschäftigt ist, gehört das morgendliche Ausmisten der Ställe - und nun halt noch zusätzlich Blut entsorgen - wieder zu meinen Aufgaben.
Ich nehme es sportlich, erspart es mir nämlich den Gang ins teure Fitnessstudio.
So tigere ich nun jeden Morgen, ich habe ja sonst nichts Besseres zu tun, in aller Herrgottsfrühe mit Einwegspritzen bewaffnet in den Stall und jage meiner armen Stute die eklig langen Nadeln in den Hals. Das alles noch vor dem Frühstück.
Auch auf Sohnemann ist keinen Verlass mehr, da im Moment in Frankreich alles streikt,  und ich nie weiß, wann ich ihn zur Schule bringen oder abholen soll und stehe somit permanent auf Abruf.
Das ist super produktiv für die generelle Tagesplanung.
Das Benzin in meiner Kangoo neigt sich langsam aber sicher dem Ende zu. Sämtliche Tankstellen in und um Pont Audemer sind noch immer geschlossen und von eben mal schnell in die Stadt fahren kann keine Rede mehr sein. Alles will gut kombiniert und geplant werden.
Die Regierung tönt zwar laut und breit, dass es keine Pénurie (Mangel) an Benzin gebe, aber irgendwie scheinen die nicht sonderlich mit den Gegebenheiten des normannischen Landlebens vertraut zu sein.
Hallo? Huhu - hört mich einer?
Ohne mein Auto bin ich hier in meinem entzückenden Dorf ziemlich aufgeschmissen!
Vielleicht sollte ich mir ein Pferd satteln und ins 6km entfernte Pont Audemer zum einkaufen reiten?!
Kleine Tochter ist, trotz Heimweh, dazu verdammt in der Bretagne zu bleiben. Das französische Zugnetz ist so unglaublich gut organisiert , dass man von Rennes nur nach Caen reisen kann. Caen wiederum ist von uns eine gute Autostunde entfernt und an einen Abholtrip ist, den Streikern sei Dank, nicht zu denken .
DH (dear husband), der mir am Wochenende unter die Arme greifen wollte, bleibt vorerst auch in der Hauptstadt, denn  die SNCF macht im Moment sowieso was sie will will.
Somit ist jeder Tag ein Abenteuer, von dem ich nie weiß mit welche Überraschung an der nächsten Ecke ich rechnen muss.
Ich komme gerade vom Einkaufen zurück und kam an einer offenen Tankstelle vorbei. Die Schlange der wartenden Autos war so lange, dass mich der Mut verlassen hat. Ich hätte schätzungsweise ein bis zwei Stunden warten müssen, um meine Auto für 20 Euro (Maximalausgabe) betanken zu können.

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