Montag, 1. November 2010

Hotelg'schichten: Eine Fachschule für Gäste?!

Meine dritte Saison im Hotel neigt sich dem Ende zu und heute verstehe ich, warum man drei Jahre lang braucht, um in der Hotelfachschule einen Abschluss zu machen.
Es dauert einfach seine Zeit bis man alles sieht, alles hört, an alles denkt, alles versteht, sich die Gesichter zu den Zimmern merken kann, den unzufriedenen Gast wieder friedlich bekommt und sich generell an den ungewöhnlichen Arbeitsrhythmus gewöhnt hat.
Ich bin noch
immer begeistert dabei und hatte das Glück (fast) alle Aspekte im Hotelbusiness kennen zu lernen. Von der Hausdame über die Rezeption, vom Barmann bis hin zur Buchhaltung war, und ist auch nächstes Jahr, wieder alles dabei. Ganz egal in welcher Position mich meine Chefin braucht, ich mache eigentlich alles gerne. Nur einen unliebsamen Job gibt es, den ich leider manchmal, wenn Not am Mann ist, zwischen Hotelgast und Aperitif einschieben muss: die abendliche Zimmerbetreuung.
Nachdem die nachmittags angereisten Hotelgäste ihr Zimmer verlassen, um im Restaurant zu Abend zu essen, geht ein Zimmermädchen los, deckt die Betten auf, zieht die Gardinen zu, schaltet die Nachttischlampen an. Kommt der Gast dann wohl genährt, von gutem Wein verwöhnt zu später Stunde in sein Zimmer, findet er eine kuschlige, gemütliche Atmosphäre vor, die ihm zum Abschluss des Abends noch mit einem Nachthupferl in Form von Schokolade versüßt wird.
So!
Jetzt ist es nicht die Tätigkeit als solche die mir Kopfschmerzen bereitet, sondern der Gast selbst.
Es gibt manche Menschen, die müsste man auf die Hotelgastfachschule schicken!!!

Dort gäbe es dann das Pflichtfach: wie benehme ich mich anständig!
Es ist mir unbegreiflich, wie offensichtlich wohlsituierte Leute - sonst könnten sie sich ja ein vier Sterne Schlosshotel nicht leisten! - es schaffen, innerhalb weniger Stunden, ein mit liebevollen Details und hochwertigen Materialien eingerichtetes Zimmer, in eine Behausung zu verwandeln, die einem chaotischen Teenager alle Ehre machen würde.
Hätte ich am Samstagabend meinen Fotoapparat dabei gehabt, ich hätte ein Bild gemacht.
Ich betrat eines der Zimmer, um die oben genannte kuschlige Atmosphäre herzustellen und bin fast rücklings wieder heraus gefallen. Am liebsten hätte ich dem Tohuwabohu welches ich vorfand, trotzig den Rücken gekehrt, aber die antiken und teilweise mit Intarsien versehrten Möbel vertragen klatschnasse Handtücher nicht sehr lange. Außerdem liebe ich mein Hotel und es tut mir in der Seele weh, wenn mit dem Eigentum meiner Chefin so respektlos umgegangen wird.
So überwand ich meinen Widerwillen, zog mein Jackett aus, krempelte die Ärmel meiner perfekt gebügelten, weißen Bluse hoch und legte los.
Vor dem Bett holte ich erst einmal tief Luft: es sah aus wie nach einem zwölfstündigen Sex Marathon!
Das hätte ich diesem eher langweilig aussehenden Mit-fünfzigern gar nicht zugetraut. Und wie um alles in der Welt sie es geschafft hatten, das Kopfkissen pitsche-patsche nass zu bekommen, wird wohl auf ewig ihr Geheimnis bleiben. Überall lagen Schuhe - wie viel braucht man eigentlich für ein Wochenende? -  nasse Klamotten - hatte es wirklich so geregnet? - Socken und Unterwäsche herum. Die Gardinen waren aus der Verankerung gerissen, weil man wohl zu blind gewesen war, die zwei Schnüre die sich an der Seite befinden, zu betätigen. Das Badezimmer stand völlig unter Wasser und ich vermute mal, sie hatten eine Wasserschlacht mit dem Wasserhahn und dem Duschkopf, anders kann ich mir das Bild des Grauens, welches sich mir bot, einfach nicht erklären.
Als ich nach einer guten dreiviertel Stunde - das ist die Zeit an der dann die Rezeption nicht besetzt ist - endlich wieder ins Haupthaus kam, fragte mich meine Chefin hektisch und leicht vorwurfsvoll, wo um alles in der Welt ich denn so lange gewesen wäre. Ich erklärte ihr kurz den Sachverhalt und sie schickte mich nach einem, von ergebenen Kopfschütteln begleitetem, herzlichen Danke an die Bar um den Maître d'  abzulösen.

Und während ich die Cocktails mixte und das Zimmer nochmal vor dem inneren Auge Revue passieren lies, überlegte ich mir, das es doch eine feine Sache wäre, man würde eine Gastbewertungsinternetseite ins Leben rufen. Ich bin mir sicher, dass der ein oder andere Hotelier eine ganze Menge zu erzählen hätte.

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