Freitag, 11. Mai 2012

Feng Shui und das Scraphaus passen nicht zusammen

Feng Shui ist die Lehre des Zusammenspiels des Menschen mit seiner Umgebung.
Durch die besondere Gestaltung der Wohn- und Lebensräume soll eine Harmonisierung erreicht werden, die sich nicht nur positiv auf die Gesundheit, sondern auch auf alle anderen Lebensumstände, seien sie nun beruflicher oder privater Art, auswirkt.

Als in den späten 80ern, Beginn der 90ern die Welle des Feng Shui Wahns über Europa schwappte, war ich auch mit dabei.
Mit Feuereifer.
Ich kaufte mir ein Buch einer englischen Feng Shui Wohnberaterin und stellte unser Haus auf den Kopf. Möbel wurden um geräumt, Spiegel ab- und anderswo wieder aufgehängt. Wände, je nach Ausrichtung, rot, gelb oder blau gestrichen und da wo das Bemalen nicht ging, Sofa oder Schrank beispielsweise, wurden einfach bunte Farbkartons mit Tesa befestigt. Sogar der Abfalleimer  musste daran glauben und bekam ein rotes Bändel umgebunden, damit "das positive Chi" nicht mehr einfach schnöde im Müll landete.

Der Schottengatte ertrug meinen Wahnsinn geduldig.
Er ist ein großartiger Mann.
Er gibt mir alle Freiheiten, lässt mich schalten und walten und wartet einfach ab, bis sich mein jeweiliger Anfall wieder gelegt hat.

Deutsche Freundinnen, die wie ich in der Normandie wohnen und mit denen ich mich ab und zu treffe, waren weniger nachsichtig. Sie lachten mich schallend aus, als ich ihnen mit Inbrunst der Überzeugung von meinem chinesischen Farbwahn erzählte.
Vor allem das rote Tesa-Band um die Klospülung fand Gretel zum Hinschmeißen komisch und die Vorstellung, das wir nun unsere körperliche Resteverwertung nicht mehr ohne "Zebrastreifen"  weg spülen konnten, ließ sie pustend über den Zusammenhang von Fekalien und "positivem Chi" philosophieren.
Ich zog mich beleidigt zurück.
'Hach, die haben ja keine Ahnung' dachte ich trotzig und kaufte mir ein zweites Buch.
Das war ein Fehler.

Was ich nämlich nicht wusste, war, dass die westliche Feng Shui Schule, auch "Black Hat Feng Shui" genannt, eigentlich nur teilweise was mit dem traditionellen Feng Shui zu tun hat.
Auszug aus Wikipedia:
Das Neo-Feng-Shui ignoriert die Himmelsrichtungen und richtet Maßnahmen nach dem Hauseingang oder der Wohnungstür aus, während klassisches Feng Shui in China versucht, bereits bei den Baumaßnahmen Einfluss auszuüben. Eine der beliebtesten Methoden im Neo-Feng-Shui, das sogenannte Drei-Türen-Bagua, lässt sich nur sehr ansatzweise auf klassische Quellen zurückführen: Im Shuo Gua, einem der Zehn Flügel des I Ging, finden sich Beschreibungen der acht Trigramme, die sich mit viel Fantasie zu den von Neo-Feng-Shui-Praktizierenden verwendeten Bedeutungen umdeuten lassen. Im Shuo Gua wird jedoch jedem Trigramm eine Himmelsrichtung fest zugeordnet, diese Richtungszuordnung wurde von Lin Yun jedoch fallen gelassen.

Um es einfacher auszudrücken: das traditionelle, jahrtausend alte Feng Shui richtet sich nach den Himmelrichtungen, das New-Age-Feng Shui nimmt als Ausgangspunkt  die Haustür.

Somit war ich in der Zwickmühle.
Da ich in einem freistehenden Haus lebe, wäre es nach den neuen Buch  - Autorin diesmal eine waschechte Chinesin -  zwingend gewesen, mich nach den Himmelrichtungen zu orientieren und nicht nach der Haustür. 
Mein Pech: die alten Normannen haben sich einen Dreck darum gekümmert, woher das negative Chi kommt. Somit steht unser Haus nicht nur, oh Schreck und Graus, völlig ungeschützt auf einer leichten Anhöhe, umgeben von kilometerlangen Feldern, sondern auch noch, Achtung jetzt kommt's, "verkehrt" herum.
Ergo mussten meine Spiegel alle wieder an den alten Platz, meine "Freundschafts-Ecke" war jetzt plötzlich in der Farbe, in der man sie um Gottes willen bloß nicht haben sollte, und von dem energetischen Durcheinander in der "Reichtums-Ecke"  will ich erst gar nicht anfangen.
Ich hätte alles wieder umräumen und umstreichen müssen.
Das war sogar mir zu aufwendig. Mal ganz abgesehen davon, dass mich der Schottengatte wahrscheinlich in die nächste Irrenanstalt hätte einweisen lassen. Ich gab den chinesischen Hokus Pokus auf und beschloss einfach so weiter zu leben wie bisher.

Der Tag gestern fing nicht so prickelnd an.
Ich erwachte mit heftigsten Kopfschmerzen.
Wahrscheinlich Nachwehen meiner 6 stündigen Motor-Sensen-Session im Garten.
In der Nacht versuche ich wohl irgendwie meinen Rücken zu entlasten und verdrehe mir dabei das Genick. Somit habe ich zwar jetzt weniger "Rücken", dafür aber "Kopf".
Nach einem Frühstück mit Paracetimol, einem entsetzten Mondscheinbaby, dessen Fläschchen ich nicht richtig zugedreht hatte und sich der Inhalt schwallartig über Kind, Oma, Sofa und Boden ergoss, sehr zur Freude vom Hund, der genüsslich den schokoladigen Milchbrei vom Teppich ableckte, beschloss ich, den Tag dann doch eher "ruhig" angehen zu lassen.

Ruhig heißt bei mir: auf-  und vor allem, um räumen.
Mein Arzt sagt, dass es bei Schmerzen hilft, wenn man sich  bewegt. Ich vertraue dem Mann blind.
Somit ab in mein Scraphaus.
Scrapbooking ist eine geile Tätigkeit. Die Mädels aus meinen Kursen sagen immer, es müsste eigentlich von der Krankenkasse übernommen werden. Allerdings versinkt man, wenn man nicht aufpasst, ziemlich schnell in einem absoluten Chaos. Und wenn ich was von meiner längst vergangenen Feng Shui Zeit noch intus habe, dann ist es, dass man in einer aufgeräumten und gründlich ausgemisteten Umgebung einfach besser kreativ sein kann.
Das allerdings wusste auch schon meine Großmutter: Ordnung Kind, so sagte sie, ist das halbe Leben!

Jetzt liegt es in der Natur des Scrapbookings, dass man alles aufhebt, weil es ja irgendwann noch einmal nützlich sein könnte. Von Fotos, über Papierschnitzel, Gläser, Stoffreste, Filtertüten, alte Zeitungen bis hin zu Anleitungen und Drucken, die man mal irgendwann im Netz gefunden hat und sie, wenn man denn Zeit hat, nachmachen möchte. So kommt ein ganzer Haufen zusammen, der sich jeder logischen Zucht und Ordnung widersetzt. Da, wo ich im Haus knallhart und unzimperlich bin - habe ich ein Jahr nicht mehr gebraucht, also kann es weg! - bin ich in meinem Scraphaus das ober-ängstliche Weichei. Ich kann einfach nichts wegwerfen.

Mittlerweile habe ich mich wenigstens soweit organisiert, dass ich den ganzen Kram thematisch in Kisten und Kästen packe. Das packt das Problem zwar nicht an der Wurzel, aber es sieht fast ordentlich aus. Im Hinterkopf spuken dabei allerdings immer noch die Regeln des Feng Shui. Wenn man sich selbst mal so gerhirngewaschen hat, ist es schwer, sich dem zu entziehen.
Jetzt bin ich nicht so verrückt, mein Häuschen innen kunterbunt zu streichen, auch wenn es in der richtigen Richtung steht und das mit den dussligen Windrichtungen jetzt kein Problem mehr ist. Aber da die Möbel aus verschiedenen Billig-Möbelhäuser stammen oder teilweise selbstgebastelt sind, ist es sehr schwer eine Harmonie hinzu bekommen. Ganz egal wie sehr ich aufräume, ich habe immer noch das Gefühl der Unordnung.

Irgendwie habe ich es an diesem Tag dann doch noch hin bekommen, eine visuelle Ordnung zu schaffen und das obwohl viele Sachen offen stehen bleiben müssen, da das permanent in Kisten wegräumen, dann doch zu umständlich wäre. Somit war ich alles in allem dann doch sehr zufrieden mit meinem, zugegebenermaßen zusammen gestückelten, sich Feng Shui Gesetzen widersetzendem, aber doch jetzt recht ordentlichem Scraphaus.
Mal sehen, wie lange das so bleibt.

 

PS: Beim Aufräumen fand ich eine alte Monopoly Karte: "Sie haben 100 Euro gewonnen"
Die habe ich an die Wand in der Reichtums-Ecke gepinnt.
Man kann ja nie wissen.



 

4 Kommentare:

MarionK hat gesagt…

Ach Pia, ich könnte mich immer wegschmeißen, wenn ich Deine Post´s sehe. Bei mir ist es über das Studium von Feng Shui nicht hinausgekommen. Meine Haustür ist an der falschen Stelle und das Wohnzimmer passt leider gar nicht. Ich hab es dann gelassen :)
Jaa, das leidige Aufräumen im Scrapreich ist eine neverending Story, denn wie sehr ich mir auch Mühe gebe, hält die Ornung nicht lange vor.

Babsi hat gesagt…

Genial!

Elena hat gesagt…

Das mit dem Chi und dem Klo hat bei meinen Männern bleibenden Eindruck hinterlassen ;-). Für Nicht-Franzosen sei erläutert, dass "chier" ein unfeiner Ausdruck für die Benutzung desselben ist - und das hat wirklich eine unwiderstehliche unfreiwillige Komik in französischen Ohren....
Ebenso ergeht es mir als Deutsche übrigens immernoch mit dem hier häufigen Namensteil "Clos" (sprich "Klo" - was aber nur einen eingefriedeten Ort bezeichnet). Insbesondere, wenn man dort - wie zu meinem Ärger relativ oft in der hiesigen Natur - rosa Papierfetzen rumliegen sieht, die auf allzumenschliche Hinterlassenschaften hindeuten, die die Leute nicht einmal den Anstand besaßen, ein wenig zu verbuddeln.

Kathrin hat gesagt…

*lach* Oh nein, verleite mich blos nicht, mich mit FengShui zu beschäftigen. Das habe ich bisher erfolgreich ignoriert. ;-)
Wir haben uns so eingerichtet wie wir es für gemütlich erachten und das ist gut so.
Nur unser Schlafzimmer ist in meinen Augen recht ungemütlich. Vielleicht sollte ich doch.... ?

;-)
Ich wünsche dir einen schönen Sonntag!
LG Kathi

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Kommentare salzen meine Bloggersuppe ...

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