Dienstag, 3. Juli 2012

Ein schnöder Spaziergang wird zur Entdeckungsreise...

... wenn, ja wenn man daran denkt, seinen Fotoapparat mit zu nehmen.

RoseWenn es eine Sache in meinem Leben gibt die ich wirklich bedauere, dann die, dass es zu den Zeiten als unsere Kinder noch klein waren, keine Digitalfotografie gab.
Wenn ich mir heute die Fotos von damals anschaue macht es mich richtig traurig, wie wenig ich es verstanden habe, den Bildern Leben einzuhauchen.
Sie sind teilweise zu dunkel, unscharf, der Hintergrund ist n'importe quoi, was soviel heißt wie:
Kind vor hässlichem Schrank, Hund vor abgerissener Tapete, Weihnachten unter- oder überbelichtet und der Garten ist eine Masse von grün, ohne wirkliche Tiefe und Perspektive.
Nun kann ich mir vorwerfen, mich auch nicht wirklich für die Fotografie interessiert zu haben und das obwohl ich damals die gute Canon Spiegelreflex vom Papi zur Verfügung hatte. Aber in einem hochgradig renovierungsbedürftigen normannischen Landhaus, inklusive fußballfeldgroßem Garten, drei kleinen Kindern, ausgiebigem Zoo hat frau mit ihrem Geld und ihrer Zeit einfach was anderes zu tun, als sich mal eben beim französischen Elektroladen Fnac in einen Fotokurs einzuschreiben. Hinzu kam, dass man ja nie genau wusste, wie gut oder wie schlecht ein Foto denn nun geworden war und ich erinnere mich an meinen Ärger, wenn ich von dem 24er Film Bilder zur Hälfte verwackelt oder sonst nicht wirklich prickelnd zurück bekam. Ich war nie konsequent genug die hässlichen Fotos einfach weg zuwerfen, schließlich habe ich sie ja mitbezahlt. Und so bevölkern die auch heute noch meine Fotokartons unter dem Bett.
LöwenzahnDas Computerzeitalter hat das alles radikal geändert und ich bin mehr als nur froh darüber.
Die Foto-Challenge im SBT macht auch deshalb soviel Spaß, weil man von 100 geschossenen Versuchsfotos 99 ohne schlechtes Gewissen weg werfen kann und sich über das eine gelungene Foto ein Loch in den Hosenboden freut!
Vorletzte Woche hatte ich eine Schülerin in meinem blauen Scraphaus, die mich über das Internet kontaktierte und ihren Urlaub in der Normandie zum Anlass nahm, einen Kurs bei mir zu belegen. Als die Dame aus dem Auto stieg sah ich bestürzt, wie extrem behindert sie war.
Nicht nur, dass sie zwei große klobige orthopädische Schuhe an ihren verdrehten Beinen trug, sondern sie war auch ganz offensichtlich halbseitig gelähmt und ich brauchte, ich muss es leider gestehen, ein paar Sekunden, um mich zu sammeln, um ihr dann schnell entgegen zu  laufen und ihr beim Tragen ihrer Taschen zu helfen.
Mohn am Wegesrand
Beine sind beim scrappen nicht wichtig, aber zwei gesunde Hände braucht es schon.
Nur eine halbe Stunde später hatte ich sämtliche Scheu abgelegt, sprach ihre Behinderung ganz offen an und unterstützte sie bei all den "Zwei Hand Arbeiten" die es beim Scrapbooking halt so gibt.
Was mich aber wirklich anrührte, war nicht nur die offensichtliche Leidenschaft zu jeglicher Form von Handarbeit und das trotz ihres Handicaps, sondern die Anmerkung, dass sie zwar sehr gerne Minialben herstelle, aber keine Fotos zum hineinkleben hätte.
'Ich komme ja nicht viel herum', sagte sie leicht traurig 'Was soll ich denn da schon fotografieren?'

GetreideDieser Satz traf mich mitten ins Herz und ich schluckte, um den großen Kloß in meinem Hals loszuwerden.
'Ja alles!', antwortete ich spontan und dachte an die Project Life Geschichte.
'Vom gebackenen Kuchen bis hin zur gestickten Decke, alles was in irgendeiner Form von irgendwelcher Bedeutung für Sie ist. Sie nähen gerne? Dann fotografieren Sie ihre Nähmaschine und dokumentieren das, was Sie gerade nähen und machen ein Scrapbooking Album daraus. Sie sammeln Gartenzwerge? Dann fotografieren Sie eben die Gartenzwerge. Und wenn Sie das nächste Mal in Ihrer Stadt zum Einkaufen sind, nehmen Sie Ihre Kamera mit und fotografieren wild darauf los. Sie wären überrascht, wie viele tolle Sachen Sie in Ihrer Stadt entdecken, von denen Sie schwören, sie vorher noch nie gesehen zu haben. Fotografie ist heute nicht mehr nur auf Urlaub und ferne Länder beschränkt. Fotografieren Sie alles und jeden der Ihnen vor die Linse kommt.'
Sie sah mich erstaunt an und ein leicht zaghaftes Lächeln legte sich auf ihre Lippen.
Ich kann nur hoffen, sie überzeugt zu haben. Sie versprach mir jedenfalls die Bilder von ihrem fertigen Album per Mail zu schicken.
Practice what you preach, sagt der Engländer.

Schwebfliegen

Lebe was Du lehrst!
Also habe ich heute morgen beim Gassi gehen mit den Hunden den Apparat in die Tasche gesteckt und wild darauf los fotografiert. Ich gehe jeden Morgen den gleichen, wunderschönen ... aber eben weil er jeden Tag der gleiche ist, dann doch etwas langweilig werdenden Weg. Ich lasse meinen Gedanken freien Lauf, plane den Tag, hecke neue Ideen aus und sammele mich für unser kunterbuntes Familienleben.

MohnblumeHeute habe ich hier und da, ganz bewusst inne gehalten, geschaut, entdeckt und die vielen kleinen alltäglichen Wunder, zum Beispiel die witzigen Schwebfliegen, deren Larven mal eben bis zu 150 Läuse am Tag verputzen können, am schnöden Wegesrand bewundert. Ich war nicht viel länger unterwegs als sonst auch, aber dank meiner kleinen Fotoreportage ... und dem Internet ... habe ich sogar eine sehr nützliche Insektenart kennengelernt.
Na, wenn das nicht Gute Laune macht. 
☺☺☺

3 Kommentare:

Diana hat gesagt…

Danke für den sehr bewgenden Bericht über Deine Schülerin - bewunderstwert die Dame. Und das Mohnfoto ist toll geworden.

Elena hat gesagt…

Schöne Bilder und Geschichten, Pia!
Trotzdem ärger Dich nicht über die Schnappschüsse von damals. Irgendwann wird die Aufnahme vom hässlichen Schrank oder zerfetzten Tapeten mal ein echtes Zeitzeugnis. "Stell Dir vor, so sah es mal bei uns aus" "Ach der, den hatte ich ganz vergessen!" usw. Auf perfekten Aufnahmen wäre der Teil der Erinnerung elegant ausgeblendet...

Außerdem, wer weiß, wie lange sich unsere heutigen digitalen Aufnahmen halten? Ob Deine Enkelin an ihrem 50. wohl auch noch Sandkastenbilder vorkramen kann, wie meine Freundin und ich? Naja, dank Scrapbooking wahrscheinlich eher als wenn die alle im Computer bleiben.

Caroline hat gesagt…

Wow, das Mohnblumenbild gefällt mir sehr! Ich liebe Mohnblumen und dieses Bild würde ich vergrößern und aufhängen. Sie sind in natura ja leider so kurzlebig...

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