Samstag, 1. September 2012

Eine (Haus) Bestellung beim Universum: Teil 2

Die Gemütsgesinnungen in meiner Familie sind unterschiedlich aufgeteilt.
Wir haben da das Naturell der Mimosen: einfühlsam, hilfsbereit, aber bei der kleinsten Unstimmigkeit sich verschreckt beleidigt und tot unglücklich ins Schneckenhaus zurück ziehend.
Das Temperament der schottischen Stinkstiefel: impulsiv, auf brausend aber nicht nachtragend, mürrisch wenn es nicht rund läuft, bis über beide Ohrläppchen umwerfend charmant und lustig, wenn ihnen der Sinn danach steht, und für jede noch so verrückte und haarsträubende Idee zu begeistern .
Und dann wäre da noch die Variante der etwas spröderen Unnahbaren: organisiert, beharrlich, direkt; ungeduldig, wenn sich die Dinge nicht so bewegen wie vorher in allen Einzelheiten geplant, mit wenig Verständnis für Kinkerlitzchen und einem ausgeprägten und untrüglichen Sinn fürs Praktische.
Wenn jetzt die Mimosen im Klinsch liegen, die Unnahbaren versuchen, zu retten was zu retten ist und die Stinkstiefel ihren Senf dazu abgeben, ist das Familiendrama vorprogrammiert. Vor allem dann, wenn sie versuchen in Frankreich ein Haus zu kaufen, das mit vielen verschiedenen, beim Universum vorbestellten, Kriterien (siehe Teil 1) allen gerecht werden soll.
Mamalu (Mimose) und ich (Unnahbare) kamen also am Freitag aus Darmstadt - und ja, ich bin ein waschechter Heiner - in unser normannisches Dörflein zurück und besichtigten am Tag darauf ein Haus, welches wir aus einer langen Liste von schon im Vorfeld besuchten Häusern als passend herausgearbeitet hatten und von dem Kleine Tochter (Mimose), eine rosarote Brille fest auf die Nase getackert, unerschütterlich überzeugt war, es sei das Haus für Mamalu.
Die Prämisse, die ich seit Wochen allen Beteiligten immer wieder einbläute: "Ganz egal wie gut uns ein Haus gefällt, Mamalu muss drin wohnen und sie entscheidet!" löste sich zusehends, gerade bei Kleiner Tochter, wie eine milchige Nebelschwade in der Morgensonne auf. Sie träumt schon so lange von einem Holzhäuschen 'american style' und die Lage und Beschaffenheit der Immobilie, gepaart mit der Idee, sich um Mamalu zu kümmern, wenn diese mal nicht mehr ganz so unabhängig ist, boten sich geradezu an, ihren Traum in einer Ecke des Terrains zu verwirklichen.
Mir gefiel das Haus auf den zweiten Blick immer noch und ich fing vorsichtig an, die Begeisterung von Kleiner Tochter zu teilen. Auch der Schottengatte brummte anerkennend. Aber:
ich bin nicht umsonst 55 Jahre lang die Tochter von Mamalu. 
Man, oder ich sollte vielleicht besser sagen frau, kennt sich.
Wir waren noch keine 10 Schritte in das Grundstück hinein gelaufen, da wusste ich, dass dieses Haus, an dieser Stelle und genau in diesem Moment ein Schuss in den Ofen war. Meine Mutter warf nur einen einzigen Blick auf den immens großen, und zugegebenermaßen verwilderten und nachlässig gepflegten Entenauslauf und zog, noch bevor sie das Haus von innen überhaupt gesehen hatte, abwehrend die Schultern hoch.
Mit voller Wucht und in Überschallgeschwindigkeit prallten hier normannische und germanische Empfindungswelten aufeinander. Im Nachhinein bin ich eigentlich immer noch erstaunt, das man den Knall nicht bis runter ins 'Marais Vernier' hören konnte.
Mamalu, seit 82 Jahren gestandene Germanin und rüstige Rentnerin, sind Äußerlichkeiten wichtig. Das Haus ist immer aufgeräumt, ganz so, als könnte jeden Moment unangekündigt Besuch kommen. Wenn dieser dann tatsächlich kommt, wartet ein liebevoll dekorierter und gedeckter Tisch auf den Gast und alles ist auf Hochglanz geputzt. Das Auto ist ein Statussymbol und der Garten wird jeden Tag generalstabsmäßig auf Hochglanz getrimmt.
Der Normanne hingegen ist, alles was Äußerlichkeiten betrifft, sympathisch ungezwungen und organisiert sich und seinen Lebensraum, ähnlich einem Ikea Katalog, (siehe auch: Die normannische Seele ist wie ein Ikea Katalog) liebenswert zweckmäßig aber immer ein bisschen chaotisch. Wichtig ist ihm die Familie und die vielen traditionellen Feiertags-Zusammenkünfte. Dabei ist die praktische, bunt gemusterte Plastiktischdecke auf dem noch ungedeckten Tisch genauso akzeptabel, wie die Tatsache, dass das Essen und nicht das Dekor an erster Stelle steht und guter Wein keinen teuren Dekanter braucht. Die Hauptsache alle sind zusammen, man hat was zu lachen und zu feiern.
Das Auto ist ein Gefährt, das zum Fortkommen dient.
Der Garten ist ihm heilig, dient aber eher zu Nutzzwecken und was schert es ihn, wenn sich hier und da die Brennnesseln 'en masse' vermehren. Schließlich sind sie die einzige Nahrung für die so selten gewordenen Pfauenaugen und als Tee oder bis zum Himmel stinkendes Ungeziefervertreibungsmittel - ich habe das ein einziges Mal versucht und nie wieder! - gesund und radikal.
Wozu haben wir hier sonst alljährlich ein Brennesselfest in Routot.
Ich erspare Euch jetzt an dieser Stelle die Einzelheiten, denn schließlich will ich eine Universumgeschichte und keine Seifenoper schreiben. Nur soviel: der Sonntag nach der Hausbesichtigung war trotz des strahlenden Sonnenscheins ein (Kommunikations-) Desaster.
Mamalu war in der Zwickmühle. Weil sie uns nicht enttäuschen wollte und sie schließlich immer wieder betont hatte: "Euch muss das Haus auch gefallen!" traute sie sich nicht richtig mit der Sprache heraus. Sie flüchtete sich in alle möglichen Vorwände, warf plötzlich all ihre Kriterien über Bord, so nach dem Motto  "Ach Kind, ein Stadthaus wäre vielleicht auch nicht schlecht? Ja prima! Und was machen wir dann mit deinen 30 dussligen Goldfischen?" und redete sogar davon, vielleicht doch in Deutschland bleiben zu wollen, was wiederum mich völlig aus der Bahn warf. Seit über einem Jahr reden wir über ihr Auswandern und nun plötzlich doch nicht?
Kleine Tochter, die sich trotz meiner wiederholten Warnungen in Ihrem Gebirge von Wünschen und Sehnsüchten verstiegen hatte, verstand die Welt nicht mehr und stand enttäuscht weinend vor den vermeintlichen Scherben ihres Traumes. Mir schwirrte vom zwischen-den-Fronten-vermitteln-und-versuchen-es-allen-recht-zu-machen der Kopf und ich durchforstete, mal wieder, die Internetseiten der Makler, die ich mittlerweile in und auswendig kenne, erfolglos nach einem Kompromiss.
Der Schottengatten, der aus beruflichen Gründen nur selten zu hause ist und deshalb solchen Familiendramen ziemlich hilflos gegenüber steht, und den ich los schickte, um Kleine Tochter zu trösten, erfuhr am eigenen Leibe was es wirklich heißt, ein erwachsenes Kind aufzufangen und moralisch wieder aufzubauen. Das Ganze nahm ihn so sehr mit, dass er mich und Mamalu in die Stadt schickte, um bei den vielen Maklern in Pont Audemer in aller Ruhe die Schaufenster unsicher zu machen und mir zeigen zu lassen, welcher Stil denn nun wirklich passend wäre. An dieser Stelle  hatte das Universum unsere Fiesematenten satt und sorgte dafür, dass ich meinen Göttergatten gründlich missverstand: er wollte eigentlich mit mir nach Pont Audemer. Als ich aber an seiner statt Mamalu ins Auto packte, war er - er ist ja nicht umsonst ein schottischer Stinkstiefel - ziemlich sauer, und ich triefte nur so vor schlechtem Gewissen. Mamalu war peinlich berührt und Kleine Tochter stand immer noch traurig schniefend im Hintergrund.
Mensch Universum! Hilf! flehte ich, äußerlich ruhig und gefasst aber innerlich laut jammernd, in Richtung strahlend blauen Himmel. Wo war mein Universum, wenn ich es am dringendsten brauchte? Wie immer in solchen Situationen fing ich an, dem "Universums-Besteller-Gedöns" zu misstrauen, und das, obwohl ich seit mehr als 10 Jahren überaus erfolgreich mit dem universellen Versandhaus zusammen arbeite. Ich pfiff den (ver-)zweifelnd bellenden Kritiker in mir zurück. Eben gerade weil ich schon so lange, sehr erfolgreich "bestelle", müsste ich eigentlich wissen, dass es manchmal einfach ein bisschen länger dauert und vielleicht hatte ich ja nur irgendwo, irgendwas, irgendwie übersehen.
Daß mich das Universum just in diesem Moment auf die schon lange vorher gestellten Weichen für Mamalus Traumhaus schubste ahnte ich nicht, und ich sollte erst am Abend des folgenden Tages begreifen, wie unglaublich fantastisch die universellen Zahnräder genau in diesem Moment anfingen, ineinander zu greifen.



4 Kommentare:

Caroline hat gesagt…

Ich bin soo gespannt, was das Universum für Mamalu vorgesehen hat! ;-)

StempelBox hat gesagt…

Mit Spannung erwarte ich die Fortsetzung... und wie Mamalu in Zukunft wohnt ;-). So schöne Geschichte, Pia. LG Susanne

Kathrin hat gesagt…

Oh-oh jetzt machst du es aber spannend!!
Solche Sachen kenne ich aber! Alles sieht perfekt aus, dann kommt was dazwischen und erstmal ist man todunglücklich. Und direkt dahinter tut sich die nächste - meist viel bessere - Chance aus.
Aus mehreren solchen Erfahrungen habe ich mir zum Motto gemacht "wer weiß, wozu es gut ist!" und es bestätigt sich immer wieder.

Ich warte ganz gespannt auf die Fortsetzung!
Liebe Grüße
Kathi

schlotterbecksche hat gesagt…

Ich kringel mich hier gerade.....ich les natürlich wieder mal rückwärts.....
Ach du bist en heuner, klasse!!!!!
Grüße aus schoffem,
lg petra

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Kommentare salzen meine Bloggersuppe ...

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