Sonntag, 8. Juni 2014

Passend zum 70jährigen Jubiläums des D-Days

Eine Liebeserklärung an Pont Audemer.


Wie bestellt strahlt die Sonne zum 70jährigen Jubiläum des D-Days  in meiner kleinen normannischen Stadt von einem azurblauen Himmel. Mit meinem Fotoapparat bewaffnet, gehe ich am frühen Freitagmorgen über den lokalen Markt.

Ich spüre wie die Menschen die wärmenden Strahlen der Sonne dankbar aufsaugen und sich die Laune jedes einzelnen Normannen erheblich verbessert.








Überall werden Blumen und Pflanzen zum Verkauf angeboten. Hobbygärtner und -Gärtnerinnen, mit vollen Körben schwer an den Ellenbogengelenken, schieben sich glücklich durch die bunte, sommerlich gekleidete Menschenmenge, um ihre neuen Schätze heil zum Auto zu bringen.

Jeder kennt jeden, man bleibt stehen, grüßt sich, hält ein kleines Schwätzchen und tauscht den neuesten Tratsch und Klatsch aus. Hauptthema ist, wie könnte es in der Normandie auch anders sein, das Wetter. Endlich Sonne, endlich Sommer. Hoffentlich bleibt es so.












Der ein oder andere schüttelt zweifelnd den Kopf. Man kennt das ja: das Wetter in der Normandie. Unbeständig mit viel Regen. Petrus tut sich schwer damit, es dem Normannen recht zu machen.

Entweder ist es zu nass, oder zu trocken, oder zu kalt oder zu heiß. Doch der Tag heute ist perfekt und die Sonne spiegelt sich mit aller Macht in den Gewässern der vielen Kanäle, die Pont Audemer durchziehen.
Die einstige Gerber- und Papierstadt, deshalb auch liebevoll das Venedig des Nordens benannt, ist nicht nur eine von Wasser durchzogenen Stadt, sondern auch eine Stadt im grünen Tal.

Eingebettet im Tal der Risle, explodiert die Natur an den Hängen, die ins landwirtschaftlich genutzte Plateau hinauf führen, in voller Pracht.








Seit mehr als zwei Jahrzehnten lebe ich mit meiner Familie in der Nähe dieser quirligen normannischen Kleinstadt und nehme ihren ländlichen Charme, die vielen kleinen architektonischen und botanischen Schätze als selbstverständlich hin.

Erst durch die Linse der Kamera konzentriert sich mein Blick auf das Wasser, das Grün, die Menschen und mir eröffnet sich eine zwar bekannte, aber eine neu zu entdeckende Welt.

'Es hat schon fast etwas Philosophisches und man sollte das öfters tun,' denke ich, während ich die Augen zukneife, um das Leben durch den Sucher meiner Kamera zu betrachten.
Es ist erstaunlich, wie viel Schönes mich umgibt.

Plötzlich sehe ich Dinge, an denen ich sonst achtlos vorbei eile. Wasser in Hülle und Fülle.






Diesmal nicht von oben, sondern in Form der flink sprudelnden und gurgelnden Risle, die sich über ihre Kanäle in die Stadt ergießt und mit ihrem Süßwasser genau hier auf das Salzwasser des nur knapp 30km entfernten Ärmelkanals trifft.

Francois der 1. war es, der 1518 den Stadtvätern von Pont Audemer erlaubte einen Hafen zu bauen. Dieser war über die Jahrhunderte mal mehr oder weniger aktiv und ist heute leider nicht mehr vorhanden.

Während ich am Risle Ufer stehe und den netten Angler fotografiere, kann ich mir kaum vorstellen, dass am Ende des 19. Jahrhunderts an die 500 Schiffe im Jahr an den Kaimauern dockten und mehr als 14000 Tonnen Ware verladen wurden.








Die große Ära des kleinen aber wichtigen Hafens endete 1975 als das letzte große Schiff die Segel setzte.

Pont Audemer bildet einen kleinen Mittelpunkt im historischen Städtedreieck Rouen, Le Havre und Caen und bewahrte sich trotz massiver Kriegszerstörungen im Zweiten Weltkrieg ihr altertümliches, von Fachwerkhäusern geprägtes Erscheinungsbild.

Es ist Ironie des Schicksal, dass die Normandie, berühmt berüchtigt für ihren Regen, durch einen plötzlich aufziehenden dichten Nebel, die deutschen Angriffsflugzeuge kurz vor Kriegsende dazu zwang, die Bomben im Blindflug über der Stadt abzuwerfen und so das historische Zentrum wie durch ein "vernebeltes" Wunder verschont blieb.







Am 26. August 1944 befreiten Holländer die Stadt von der deutschen Besetzung.

An der grauen Außenfassade der Kirche Saint- Ouen mit ihren wunderschönen blauen Bleiglasfenstern, deren ältester Teil aus dem 11. Jahrhundert stammt, kann man heute noch die Einschusslöcher der heftigen Bombardierungen erkennen.

Ein Umstand auf den mich der Immobilienmakler, von dem wir vor vielen Jahren unsere Chaumière kauften, aufmerksam machte. Wir sassen in dem Bistro unterhalb der Kirche und tranken zur Feier des Tages und dem Abschluss des Kaufvertrags ein Glas Champagner.










Auf meinen schuldigen Blick hin, winkte er nur freundlich ab und erwiderte, dass der Krieg schon lange vorbei sei und die neuen Generationen ja wohl hoffentlich etwas aus den Fehlern der Vorfahren gelernt hätten.


Das ist übrigens die gängige Reaktion auf mich als Deutsche in der Normandie. Wann immer ich auf ältere Normannen treffe und gefragt werde, wo aus Deutschland ich denn herkomme, wird das nicht selten mit dem Ausruf kommentiert: "Oh, da war ich ganz in der Nähe in Kriegsgefangenschaft."

Und wenn ich dann erschrocken zusammenzucke heißt es:
"Keine Sorge! Ich hatte es den Umständen entsprechend gut und man hat mich wirklich anständig behandelt. Ich habe sogar heute noch Freunde dort."


Ich wünsche Euch ein schönes Pfingstfest mit viel Sonne.
Nutzt die Chance, nehmt Eure Kameras und fotografiert Eure Stadt. ♥

Eure Pia


PS: Die Webseite FALLEN SOLDIERS zeigt mit eindrucksvollen Bildern, wie sich der D-Day abgespielt haben muss. Absolut sehenswert.











1 Kommentar:

Maren hat gesagt…

Ach Pia, es ist so schön bei Euch. Ich würde so gern mal Urlaub bei Euch machen, aber keiner spricht bei uns Französisch. Also Aaron hat jetzt ein Jahr Französisch im Gymnasium hinter sich. Ich wollte ihn nach Frankreich schicken mit dieser Stiftung der Kriegsgräberfürsorge, aber er ist noch nicht 14 Jahre alt. Wenn er sich verständigen kann, kommen wir euch besuchen, versprochen!!!

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Kommentare salzen meine Bloggersuppe ...

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