Gewagt gefragt!
Wie um alles in der Welt haben wir früher – und soo lange ist das früher noch gar nicht her – ohne Mobiltelefon überleben können?
Folgende Situation:
Große Tochter und ich sind in der Stadt, um einkaufen zu gehen. Zuvor hatten wir Sohnemann bei Freunden in unserem verschlafenen kleinen Städtchen an der Risle abgeliefert. Der Kredit seines Handys war abgelaufen und so hatte ich ihm meins in die Jackentasche gesteckt. Seit Einführung dieser Dinger bin ich unruhig, wenn ich nicht das Gefühl habe, meine drei Sprösslinge (20,18,14 Jahre alt) jederzeit und überall erreichen zu können. Ergo war ich ohne den heute so überlebenswichtigen Kontakt zur Außenwelt unterwegs.
Wir Mädels saßen im Auto und bogen gerade in die Strasse zum Supermarkt ab, als es in der Handtasche von großer Tochter klingelte. Die Ampel sprang auf rot als große Tochter, am Steuer sitzend, ihren Apparat aus der Handtasche fischte. Mit einer Fingerfertigkeit die mich sprachlos machte, hatte sie das Telefon aufgeklappt, die Lautsprecheranlage angestellt, und auf ihren Schoss gelegt. Gerade rechtzeitig, denn die Ampel schaltete auf grün und sie fuhr weiter.
Die vertraute Stimme meines Göttergatten, erschalte auf ihren Knien:
„Ich habe nicht viel Zeit, bin im Stress, könnt Ihr bitte sofort umgehend die kleine Tochter anrufen! Irgendwas ist im Internat los und soweit ich es verstanden habe, müsst ihr sie heute schon abholen und nicht erst am Freitag. Sie hat verzweifelt versucht Euch zu erreichen aber zuhause geht keiner dran und Mami hat ihr Handy wohl auch wieder vergessen.
“Wo bist Du eigentlich gerade?“ kann ich ihm noch zurufen und höre nur noch ein eiliges: „In Lissabon“ bevor mir das Knacken in der Leitung unmissverständlich klar macht, dass mein guter Mann wirklich im Stress ist und er wieder aufgelegt hat.
Wir sind mittlerweile am Supermarkt angekommen und ich bin, ich muss es zugeben, leicht nervös. Kannst du deine Schwester zurückrufen, frage ich große Tochter. Wer weiß was da wieder los ist?
„Tja das geht leider nicht“ antwortet sie mir bedauernd „Ich habe kein Kredit mehr.“
Also kaufe wir eben schnell noch ein Telefonkarte und als ich gerade denke, dass ich nun endlich im Internat anrufen kann, macht uns das Handy meiner Ältesten erneut einen Strich durch die Rechnung, denn darin ist weder die neue Nummer von kleiner Tochter noch die von ihrem Freund gespeichert.
Und jetzt?
Aber große Tochter ist schon am Nummern tippen. Sie versucht ihren Bruder auf dem Handy zu erreichen. Doch der antwortet nicht. Na Bravo – sage ich, warum gebe ich ihm eigentlich mein Telefon mit, wenn er nicht dran geht! Grosse Tochter lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und wählt eine weitere Nummer.
„Daddy?“ fragt sie erneut zwischen der Gemüse- und der Kosmetikabteilung,
„Kannst Du bitte kleine Tochter anrufen und ihr sagen dass sie mich auf meinem Handy anruft? Ich habe ihr Nummer nicht.“
Die Liaison über Portugal scheint hervorragend zu funktionieren, denn es dauert nur eine knappe Minute und das Telefon klingelt erneut. Kleine Tochter hat leider keine Zeit ihr Anliegen vorzutragen, denn inmitten ihrer Erklärungen macht das Handy von grosse Tochters schlapp und die Batterie ist alle. Wir befinden uns nach wie vor im Supermarkt, ich bin völlig kirre im Kopf von dem vielen herumtelefonieren, bin keinen Deut gescheiter als noch vor einer Stunde und soll jetzt noch seelenruhig und hochkonzentriert einen Großeinkauf tätigen. Mein Mutterherz bringt mein Blutdruck in gefährliche Höhen, weil tausend Horrorszenarien, warum ich kleine Tochter zwei Tage früher als geplant abholen soll, durch mein Gehirn hetzen.
Mehr schlecht als recht erledigen wir den Einkauf, werfen alles völlig unorganisiert in den Kofferraum und fahren mit Affengeschwindigkeit nach Hause.
Auf dem Weg in unser Dorf und zu dem rettenden Telefonanrufbeantworter in unserem Haus, überlege ich mir, wie es mir wohl gerade gehen würde, wenn keiner von uns ein Handy besitzen würde. Ich komme zu dem Schluss, dass ich völlig nichts ahnend im Auto sitzen wurde, mit einem Blutdruck im normalen Bereich und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch nichts Wichtiges auf meiner Einkaufsliste vergessen haben würde. Ich käme cool wie Oskar zuhause an und würde auf die blinkende Taste meines Anrufbeantworters drücken, würde sofort verstehen wo das Problem läge und mich entsprechend darum kümmern können.
Wir kommen zuhause an. Ich werfe die Hausschlüssel auf die Frühstücksbar, verschiebe die Begrüßungszeremonie meiner Hunde auf später und rufe kleine Tochter an.
Na endlich – kleine Tochters die erleichterte Stimme erschallt am anderen Ende der Leitung: Ich habe tausendmal versucht Euch anzurufen!!! Zuhause ging keiner dran. Dein Handy hast Du mal wieder nicht gehört. Daddy weiß nicht wo Du bist und die Batterie von Schwester ist alle. Kannst Du mich heute Abend schon abholen, denn wir haben Schulstreik!
Kaum habe ich den Telefonhörer aufgelegt, da ruft mich Sohnemann vom Handy aus an: Mami! Du musst kleine Schwester heute schon abholen. Irgendwas ist im Internat los und sie hat ganz viele Nachrichten auf der Mailbox gelassen. Kannst Du sie bitte unbedingt anrufen!
Als ich 10 Minuten später im Auto sitze und auf der Autobahn Richtung Internat fahre, frage ich mich, ob wir eigentlich noch alle Tassen im Schrank haben, uns von einem kleinen Apparat, der uns ja eigentlich das Leben erleichtern sollte, so terrorisieren zu lassen.
Mal ganz abgesehen davon, dass sich die Telefonanbieter, sollten sie jemals diesen Bericht lesen, ein Loch in den Bauch freuen dürften.
Denn was diese ganze Aktion an Telefongebühren gekostet hat, möchte ich gar nicht erst nachrechnen.
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