Nachdem ich meine Gedanken mit Hilfe von Steffi Graf‘s Scheußlichtees und Schreiben sortiert habe, kann ich den Tag ruhig angehen. Ich bin frisch geduscht, die Haare sind gestylt und ich habe einen meiner Präsentationsoutfits an, die mir an der Rezeption des Hotels, in dem ich in der Sommersaison arbeite, gute Dienste leisten und absolut Sturm erprobt sind.
Ich bleibe unerschütterlich, als ich zum kurzen Frühstück nach oben gehe und sich Mamalu in üblicher Hektik fertig macht.
Meinst Du ich kann das in meinem Alter noch tragen?
Habe ich zu viel Schmuck angehängt?
Bin ich zu toll geschminkt?
Soll ich lieber die schwarzen oder die weißen Schuhe anziehen?
Bist Du sicher ich kann so gehen?
Soll ich mich nicht doch schnell noch umziehen?
Nicht zum ersten Mal begreife ich, was manche Männer an uns Frauen in den Wahnsinn treibt.
Mal ganz abgesehen, davon, dass Mamalu sehr wohl weiß, was ihr steht und was nicht; und nochmal davon abgesehen, dass ich nicht verstehe, warum eine Frau, die ein dreistöckiges Mietshaus inklusive Werkstadt managt, urplötzlich zum nervösen, von Komplexen geschüttelten Teenager mutiert:
Ihr Gesicht möchte ich sehen, wenn ich ihr sagen würde, dass sie auf keinen Fall so auf ihre eigene Party gehen kann.
Ich bin ein gebranntes Kind.
Als Teenager bin ich in dieser Richtung ziemlich gegängelt worden.
Das berühmte: „Kind so lasse ich Dich auf keinen Fall auf die Straße!“ hat mich mehr als einmal neidisch auf die superkurzen Hotpants meiner besten Freundin schielen lassen. Auch waren meine 1 Zentimeter hohen Plateausohlenschuhe langweilig und bieder verglichen mit ihren Über-die-Knie-Stiefel inklusive 10 Zentimeter Absätzen.
Meinen eigenen Kindern, so schwor ich mir damals, würde ich immer absolute Freiheit lassen, was die Kleiderwahl betrifft.
Das ist zu einer Lebensphilosophie geworden.
Jeder soll sich so anziehen wie er (sie) sich wohlfühlt.Punkt.
Unabhängig vom Alter oder der Modeindustrie.Nochmal Punkt.
Mamalu sieht das leider nicht so und versucht mich jedes Mal aufs Neue dazu zu bringen, ihr mit Rat und Tat beiseite zu stehen. Dabei übersieht sie geflissentlich, dass sie die Elegantere und das Stadtkind von uns beiden ist.
Nach jahrelangem Schmuddelwetter in der ländlichen Normandie, mit einem ganzen Stall voller fusseliger, langhaariger Haustiere, steht mein Sinn mehr nach Praktischem.
Bequem und gut zu waschen sollte es sein.
Die Schuhe am liebsten Gummistiefelmässig und flach. Da bekomme ich wenigstens keine nassen Füße und Hühneraugen.
Der Mantel regenabweisend und hell! Da bleiben die vielen Katzen- und Hundehaare nicht daran kleben.
Mamalu und ich kommen da leider nicht auf einen Nenner, aber um ihr eine Freude zu machen sage ich ergeben:
„Du siehst gut aus! So kannst Du gehen. Ganz großes Franzosenehrwort!“
Aber irgendwie scheint ihr das auch nicht zu passen.
Frauen! Mir soll noch einmal einer sagen, die seien unkompliziert!
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