Freitag, 29. Januar 2010

Volkszählung

...ist ehrlich gesagt, gar nicht mein Ding!
Ich fühle mich ausspioniert.
George Orwell hebt bedrohlich sein Haupt: Big Brother is watching you!
In einer Welt, in der alles so durchlässig ist wie ein aufgeweichter Kaffeefilter, und das Individuum dank moderner Technik (und Treupunktkarten) sowieso mehr von sich preisgibt als ihm hier und da lieb ist, sind mir die Fragebögen der Volkszählung mehr als suspekt.
Eine junge Frau, angestellt von der „Mairie“ und dafür verantwortlich eben jene Fragebögen zu verteilen und dafür zu sorgen, dass sie sachgerecht ausgefüllt werden, steht vor meiner Tür.
Da ich gerade meine Kurse gebe, habe ich keine Zeit und kann sie nicht herein bitten.
Überraschenderweise drückt sie mir die Bögen in die Hand.
Mit meiner Zusage sie ordentlich auszufüllen und einem erneuten Rendez-vous, die Bögen am Donnerstag um 11H  abzuholen in der Tasche, fährt sie wieder von dannen.
Ich bin erleichtert.
So kann ich vielleicht die eine oder andere Frage „übersehen“?
Mit viel innerlichen Widerwillen setze ich mich zwei Tage später an meinen Schreibtisch.
Die Fragebögen liegen vor mir, der Kugelschreiber zappelt angriffslustig in meiner Hand.
Schade, dass ich nicht so fingerfertig Penspinning beherrsche wie Sohnemann, dann hätte ich mich vielleicht
ein bisschen abreagieren können.
Statt dessen holte ich tief Luft und lege los:
Name?
Anschrift?
Ich entspanne mich gaaanz vorsichtig.
Welcher Nationalität gehören Sie an?
Wie lange leben Sie schon in Frankreich?
Arbeiten Sie?
Arbeiten Sie in der Stadt in der Sie wohnen?
Ok! Soweit so gut! Das sind Fragen die ich nachvollziehen kann und die mir für eine Volkszählung logisch erscheinen.
Welchen Schulabschluss haben Sie?
Oh ha! Jetzt fängt es an, ans Eingemachte zu gehen
Was sind Sie von Beruf?
Beschreiben sie in genauen Worten Ihre Tätigkeit!
Ich habe eine leere Zeile vor mir mit knapp 5 Zentimeter Platz
Hier ist definitiv eine Frage, für die ich zu blond bin, um sie zu beantworten.
Wer kann sich schon unter einer Scrapbooking-Lehrerin was vorstellen. Außerdem ist das nicht meine einzige Tätigkeit. Neben Sekretariat im Hotel und Dolmetscher beim Notar, bin ich auch noch Hausfrau, dreifache Mutter und Hobby Schriftstellerin. Vielleicht sollte ich das beantworten mit: Hansdampf in allen Gassen
Und was heißt das auf französisch???
Weiter im Text:
Leben Sie in einem Haus?
Wann wurde Ihr Haus gebaut?
Ok. Das geht noch.
Wie viel Quadratmeter hat Ihr Haus?
Das geht auch noch, aber ich ahne, dass jetzt Schluss mit lustig ist.
Wie viel Zimmer gibt es in ihrem Haus?
Wie viel Autos haben Sie?
Haben Sie einen Parkplatz?
Jetzt fange ich endgültig an zu streiken und frage meinerseits:
Wen geht das was an und warum?
Ich will diese Fragen nicht beantworten!
Und was soll die Geschichte mit dem Parkplatz?
Unsere Autos stehen in unserem Garten auf dem Kiesweg.
Zählt das jetzt als Parkplatz oder nicht?
Und warum wollen sie wissen wie viel Zimmer ich habe, wenn sie mich schon wegen den Quadratmeter ausgequetscht haben?
Ich habe ein dunkle Ahnung, dass es irgendwas mit der Steuer zu tun hat. Je mehr Zimmer, umso mehr „taxe d’habitation" oder "taxe fonciere“?
Ich zähle Wohnzimmer, Esszimmer, Schlafzimmer, drei Kinderzimmer, zwei Schlafzimmer!
Macht Acht.
Mein Scrapbooking Studio unterschlage ich, denn es ist wirklich nur ein abgetrennter Teil meines Badezimmers und zählt nicht wirklich als eigenständiges Zimmer.
Widerwillig trage ich die Ziffer ein.
Nur sehr ungnädig unterschreibe und datiere ich die Fragebögen.
Als die junge Frau am Donnerstagmorgen die Fragebögen abholt, bin ich froh, dass sie nur kontrolliert, ob ich auch alle unterschrieben habe.
Dass ich „vergessen“ habe hier und da zu antworten hat sie nicht gemerkt.

2 Kommentare:

Elena hat gesagt…

Also manche Fragen kamen mir ja auch komisch vor.... Wenn man allerdings bedenkt, dass das Parkplatzproblem für "Nicht-Großgrundbesitzer" wie uns, also alle Städter, die - so sie nicht über Deinen Sonderdraht zum Universum verfügen - abends oft Stunden um den Block kurven müssen, ehe sie ihr Auto abstellen können, dann kann man in solchen Fragen doch einen Sinn für das Volkswohl erkennen. Jedenfalls denke ich, dass wir in unseren täglichen Internet-Recherchen, Bestellungen, Anmeldungen und Konsultationen bei diversen Diensten weit mehr über uns preisgeben, als bei einer Volkszählung.So werde ich z.B. von Uhrenwerbungen überflutet, weil ich für meine Rolex- oder Piaget-Übersetzungen oft auf einschlägigen Websites unterwegs bin. Warum ich allerdings TÄGLICH mindestens eine Viagra-Werbung erhalte, ist mir schleierhaft?!! Sowas kann nur Udo von "Frühstück bei Stefanie" erklären:
http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=3787482

Ansonsten habe ich mich mal wieder genüßlich durch Deine amüsanten, den Nagel auf den Kopf treffenden Posts geschmökert. Vor allem die Hausnummer-Logik und die 6-Stunden-Formel decken sich voll mit meinen Erfahrungen!

Anonym hat gesagt…

Für die Jobrecherche bin ich über die Stichworte *Volkszählung Frankreich* hier zufällig gelandet.. und hängengeblieben.
Dein locker-fröhlicher Schreibstil macht echt Spaß zu lesen. Kommst sehr sympathisch rüber.
Alles Gute!

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Kommentare salzen meine Bloggersuppe ...

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