Montag, 18. Juli 2011

Wenn einer eine Reise tut....


Geht Euch das auch manchmal so?
Da lebt man im alltäglichen Trott, Tag ein, Tag aus, und kommt nicht im Entferntesten auf die glorreiche Idee, mal  einen neuen Weg oder eine andere Methode auszuprobieren ?
Vielleicht hat man ja mal den Bruchteil einer Sekunde darüber nachgedacht.
Aber das "Neue" verursacht so ein unangenehmes Kribbeln im Bauch, und irgendwie scheint auch der Aufwand größer als der Nutzen.
"Better the devil you know" heißt es im Englischen.
"Von zwei Übeln wählt man besser das, was man schon kennt."

Ich wollte (musste)letzte Woche nach Deutschland.
Eine Fahrt vor der ich mich seit Monaten drücke und sie ergo immer wieder auf die lange Bank schiebe.
Nicht weil ich keine Lust auf 'Good Old Germany' und 'Family' habe, sondern weil mich mein "Weg" zwangsläufig an Paris vorbei bringt.
Zwischen meinem beschaulichen normannischen Dorf und meiner Heimatstadt in der Nähe von Frankfurt liegen beachtliche 750 km.
Ich fahre sehr gerne Auto und 8 Stunden in meiner geliebten Kangoo mit meinem Hintern fest auf den Sitz getaggert, sind für mich eher Erholung von meinem, immer in Bewegung bleibenden Alltag.
Hörbuch in den CD Player und acht Stunden einfach mal faul auf dem Allerwertesten sitzen hat was, wenn, ... ja wenn da nicht, die von allen Touristen, Hauptstädtern und sonstigen Franzosen mit Leidenschaft gehasste Péripherique wäre: die berühmte, 35 km lange Umgehungsstraße um die Hauptstadt von Frankreich.
Richtig muss es ja heißen: Boulevard Péripherique de Paris.
Nur mit 'Boulevard' so wie wir Deutschen uns das romantisch vorstellen, hat dieses insgesamt 8-spurige Nadelöhrmonster schon lange nichts mehr zu tun.
Gebaut wurde sie 1958, fertig gestellt 1973, und war, kaum feierlich eröffnet, schon damals hoffnungslos überlastet. Im Jahr 2005 zählte man 270 000 Fahrzeuge .... pro Tag!!!
Und nein! Ich habe da keine Null zu viel angehängt.
Nun könnte man mich an dieser Stelle ja fragen, "Wenn dich die Périph' so nervt, warum fährst du dann nicht mit dem Zug oder nimmst den Flieger?
Ganz einfach:
Weil alles, aber auch wirklich alles in Frankreich, nur über Paris geht.
Die Autobahnen, mit denen Frankreich (im Vergleich zu Deutschland) wirklich sehr spärlich gesegnet ist, fließen alle sternförmig auf Paris zu. Napoleon Bonaparte sei Dank!
Nur die zwei großen Flughäfen im Norden und Süden von Paris fliegen regelmäßig international und bis ich dort mit Zug und Bus angekommen bin, brauche ich mit anschließendem Flug und Shuttle von Frankfurt nach Darmstadt nochmal drei bis vier Stunden extra.
Ok! Wenn nicht Flugzeug dann der Zug!
Denkste Puppe!
Auch keine Lösung!
Jeder Zug aus dem Umland fährt grundsätzlich erst einmal nach Paris, Stadtmitte.
Dort muss ich dann nicht nur in einen anderen zug umsteigen, sondern zusätzlich von dem einem Bahnhof, mit der Metro, zu einem anderen Bahnhof hetzen.
Selbst wenn Frankreich über Paris zentralisiert ist, die Bahnhöfe der Hauptstadt sind es nicht.
Ein Alptraum!
Also doch wieder Auto!
Erst über die A13, will heißen Autobahn der Normandie, dann Péripherique mit Mörderverkehr und kilometerlangen Staus, dann die A4 Richtung Reims, Metz und schließlich Forbach an der Grenze.

Die einzige Möglichkeit dem "peripheren Wahnsinn" zu entkommen, ist am sehr frühen Morgen, am besten zwischen halb sechs und halb sieben Uhr mit dem Auto um die Periph' herum zu fahren. Da wir 1 1/2 Stunde nordwestlich von Paris wohnen, ist da extrem frühes Aufstehen angesagt.
"Ja was fährst Du denn noch die A4 an Paris vorbei?" schrieb mir eine Freundin ganz überrascht einen Tag vor meiner Abfahrt.

"Wir fahren immer über die A29! Die ist menschenleer und nur ganz unwesentlich länger"
Die A29?!
Ja ist die denn fertig?
Ich muss ja zugeben, dass ich nicht im entferntesten auf die Idee gekommen wäre, erst einmal in den Norden zu fahren, um dann ganz gemütlich gen Osten zu tuckern..
Außerdem bin ich diese Strecke noch nie gefahren.
Was ist wenn ich mich verfahre?
Denn bei aller Liebe zum Autofahren, auf extra Umwege habe ich nun auch keine Lust.
Und was ist, wenn es doch sehr viel länger dauert?
Ich bin allein im Auto und habe niemanden dabei der mich ablösen kann!
Dicke fette zweifel überrollen mich.
"Wenn du Angst vor einem neuen Weg hast, dann packe die Angst in den Rucksack und laufe trotzdem los. Wenn du am ziel angekommen bist und wieder in Deinen Rucksack schaust, wirst du merken, dass die Angst nur eine Seifenblase war."
Dieser dusslige Satz ist von mir und manchmal gehen mir meine schlauen Sprüche ganz schön heftig auf den Keks. Denn wer schlaue Sprüche klopft, sollte mit gutem Beispiel voran gehen.
Ich besorgte mir also eine brandneue Frankreich Straßenkarte, studierte im Internet zur Sicherheit nochmal den Michelin Straßen-Wegweiser und stürzte mich mit Feuereifer (aber einer gehörigen Portion Angst in meinem Rucksack) in das Abenteuer "Neue Route gen Germany"!
Nein in habe kein GPS.
Der funktioniert hier in der Normandie nämlich nur sporadisch.
Da verlasse ich mich lieber auf meine Kartenleskünste.

Und was soll ich Euch sagen?
Ich habe es tatsächlich auf Anhieb geschafft und war begeistert! Und erstaunt! Denn wie unglaublich anstrengend diese Herumfahrerei um Paris wirklich ist, merkt man erst, wenn man es nicht mehr machen muss. Die A29 führte mich durch die Picardie und es gab den ein oder anderen sehr freiwilligen Stop: einfach nur, um die Landschaft genießen zu können. Erstaunlich auch die vielen Windparks die hier oben stehen. Und da dachte ich immer die Franzosen wären von ihren AKW's besessen.
Alles in allem hat mich diese neue Strecke nur schlappe 34 km mehr gekostet.
Völlig entspannt in Deutschland angekommen, habe ich nochmal in meinen "Rucksack" geschaut.
Wer hätte das gedacht?
Der war ganz leer!

1 Kommentar:

Bille hat gesagt…

Das ist aber schön! Total entspannt nach D gekommen. Da kommst du jetzt öfter, oder? ;-)

Kommentar veröffentlichen

Kommentare salzen meine Bloggersuppe ...

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...