Die Arbeitsmoral der Franzosen ist mitunter, na sagen wir mal, südländisch gelassen.
Mit "ich kam - ich sah - ich siegte" haben meine geliebten Gallier, zumindest in unseren normannisch ländlichen Gefilden, nicht wirklich viel am Hut.
Das Motto lautet wohl eher: wir kommen, wir gucken und diskutieren, wir gehen wieder weg, um zu überlegen und, mit einem bisschen Glück, kommen später noch mal!
(siehe auch: Die französische 6 Stunden Formel)
'Das kann dauern', denke ich somit germanisch nonchalant, als der Bescheid des Bürgermeisters, man plane das Dorf zu modernisieren, in dem man die Kreuz und quer über die Straßen verlaufenden Strom- und Telefonkabel unter die Erde verlege, vor ein paar Wochen ins Haus flattert.
Seit über 20 Jahren leben wir in unserem verschlafenen, normannischen Dorf und haben uns daran gewöhnt, dass bei Frühjahrs- oder Herbsttürmen die Stromzufuhr, teilweise für mehrere Stunden, ihren Geist aufgibt weil die Überland-Kabel aneinander knallen und weitflächig einen Kurzschluss verursachen. Mitten im Spielfilm plötzlich im Stockdunkeln zu sitzen und sich auf der Suche nach Kerzen und Taschenlampe schmerzhaft an eckigen Möbeln die Knie anzustoßen hat was. Ehrlich!
(ein paar Gedanken zum Stromausfall: hier)
Der potthässliche, 10 Meter hohe Betonpfosten, der nur ein paar Meter von unserem Haus, mitten in meinem Blumenbeet thront, um das einmal quer über das Grundstück verlaufende, hässlich schwarze Stromkabel in luftigen Höhen zu halten, ist mit der davor gepflanzten Tanne endlich zu einer Einheit verschmolzen und kein so offensichtlicher Schandfleck mehr. Die normannisch chaotisch verlaufenden Stromkabel über die Dorfstraßen sind in unserem Bewusstsein irgendwo im hintersten Stübchen verdrängt: schön ist was anderes aber wir haben uns so daran gewöhnt, dass wir sie nicht mehr wahrnehmen.
Umso überraschter bin ich demzufolge, als die Dorfstraßen vor ein paar Wochen mit dicken Schaufelbaggern, Lastern und Bobcats zugeparkt werden und wir teilweise nur noch über Land und Wiesen zu unseren Häusern gelangen. Nach kurzer Rücksprache im Rathaus und mit dem Bauleiter erfahre ich, dass ich in den nächsten Tagen damit rechnen kann, dass sich die menschlichen Maulwürfe, in kürzester Zeit, in unsere kleine "Impasse" (Sackgasse) eingebuddelt haben werden.
Jetzt werde ich doch langsam ein bisschen unruhig, denn mein zukünftiger Anschluss mit Zähler wird sich am Anfang unserer Auffahrt in das Grundstück, neben dem Briefkasten befinden und der, das habe ich jetzt ganz offiziell, liegt exakt 110 Meter vom Haus entfernt. Die Kosten für den Anschluss dürfen wir netter weise selbst tragen. Außerdem muss ich nur eben schnell mal eine 60cm tiefe Furche vom Briefkasten bis zum Haus ausheben, damit die Strom- und Telefonkabel ordnungsgemäß verlegt werden können.
Nichts gegen Modernisierung, sie ist total überfällig, aber irgendwie habe ich das Gefühl einen Colt auf die Brust gedrückt zu bekommen.
Zum ersten Mal seit wir hier wohnen, sehe ich unsere fast furchteinflössende, Schlosspark-ähnliche Mega-Auffahrt zum Haus nicht mehr (nur) als Vorteil. Hält sie zwar sonst nette, aber schwer abwimmelbare Zeitgenossen wie zum Beispiel Zeugen Jehovas, fliegende Händler und sonstige Werbefachleute davon ab, sich eben mal so, per pedes, Richtung Haus zu begeben, reißt der progressive Schritt in ein fortschrittliches Zeitalter, bei einem offiziellen Buddelpreis von 17 Euro pro Meter, ein abgrundtiefes Loch in meine Haushaltskasse.
Noch bevor ich darüber in Panik geraten kann, - der Schottengatte ist wie immer bei solchen Sachen irgendwo im Ausland und kann mich nur telefonisch moralisch unterstützen - versichert mir der leitende Bauleiter, dass sie am Freitag mit den Ausgrabungen anfangen und voraussichtlich Samstagnachmittags fertig sein würden. Somit fällt mein Ausflug gen Germany buchstäblich in den Graben, denn ich traue den, im Falle meiner Abwesenheit unbeaufsichtigten menschlichen Wühlmäusen und ihren Gerätschaften nicht wirklich zu, meinem Garten keine unauslöschlichen Narben zuzufügen.Ergeben finde ich mich damit ab, dass die Kosten für Sprit und Einkaufstour nicht mehr in das deutsche Wirtschaftssystem, sondern in den französischen Lehmboden fließen werden.
Und dann passierte das, womit ich in meinem französischen Leben nicht mehr wirklich gerechnet hätte:
Sie kamen - sie sahen - sie siegten!
Innerhalb von lauten 48 Stunden, schaufelt sich ein bemannter Caterpillarbagger unsere Einfahrt bis zum Haus hinauf. Kies wird zur Seite gerecht und eine Schnur gespannt um dem Bagger eine penibelst gerade Richtlinie vorzugeben. Bunt gefärbte Kabelschutzröhren verschwinden fast zeitgleich in dem langen Graben. Noch bevor ich richtig Luft und die Kamera holen kann, ist der Spuk auch schon wieder vorbei.
Als Schottengatte nach Hause kommt, wird er von einem perfekt begradigten und frisch durchgeharkten Kiesweg begrüßt und er kann nicht glauben, dass sich nur wenige Tage zuvor, riesige Erdhügel im Garten auftürmten.
Zum Beweis zeige ich ihm die Fotos ...
... und den Kontostand.
Veni Vidi Vici!
Ich liebe meine Franzosen!
2 Kommentare:
Hallo Pia,
ich hatte befürchtet, dass der Graben uns in den nächsten Monaten beschäftigen wird und war so erstaunt über das abrupte Ende der Geschichte, dass ich noch sprachlos vor dem Laptop sitze.
Es ist super, dass die Kabel bereits im sandigen Nirwana verschwunden sind. Weniger super ist, dass es Dein Göttergatte erfolgreich verpasst hat. Männer neigen nämlich dazu, alles als halb so schlimm abzutun, was sie nicht selbst erleben durften.
Gut, dass Du ihm jederzeit Beweisfotos unter die Nase halten kannst, wenn der Gute die Geschichte verharmlost.
Danke, dass wir einen kleinen Einblick in die französische Welt des Kabelversenkens erhalten durften.
Liebe Grüße
Stempelperle
Immer wieder gerne. Meine Franzosen und ihre netten Macken sind halt ein unerschöpfliches Thema... ;-)))
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Kommentare salzen meine Bloggersuppe ...