Sonntag, 12. Juni 2011

Universumsgeschichte: Der Leierkasten-Mann

Ich gehe mit großer Tochter einkaufen. Nachdem wir das Auto geparkt haben, greife ich in meiner Manteltasche nach dem Plastikchip für den Einkaufswagen.
"So ein Mist" sage ich frustriert zu Großer Tochter, die gerade die Einkaufstüten aus dem Auto holt.
"Ich habe den Chip im anderen Mantel!".
Ein Euro muss her.
In meinem Portemonnaie brauche ich gar nicht zu suchen, denn ich habe so gut wie nie Bargeld dabei und Große Tochter hat ihre Tasche gar nicht erst mitgenommen. Der Gedanke erst einmal quer durch den Einkaufsmarkt zu tigern, um am Empfang nach einem Plastik- Euro zu fragen, begeistert mich nicht sonderlich.
Doch wir haben Glück.
Nach einem kurzen Durchwühlen des mit Centimes randvoll gefüllten Aschenbecher meiner Kangoo, finden wir, versteckt in den Tiefen, einen einsamen, meine gute Laune rettenden Euro.
Auf dem Weg zu den in Reih und Glied aneinander geketteten Einkaufswagen, kommen wir an einem alten Mann mit einem wunderschönen Leierkasten vorbei.
Von der Sorte sieht man nicht mehr viel heutzutage.
( Dazu auch: Die Wirtschaftskrise und ihre sonderlichen Blüten )
Er steht am Eingang des Einkaufszentrums und mal abgesehen von der angeleinten Katze, die auf einem Brett neben dem Leierkasten liegt, hat der alte Mann was sympathisch Freundliches. Ganz spontan möchte ich ihm den Euro zustecken. Aber das geht ja leider nicht, da ich sonst keinen Einkaufswagen auslösen kann. Ich überlege kurz, ob ich nicht doch zum Ladenempfang sprinten soll, um mir einen Plastik Euro geben zu lassen, damit ich den echten Euro dem alten Mann zustecken kann. Aber Großer Tochter geht es nicht so prickelnd, und wir wollten noch in die Apotheke und zuhause wartet Kleine Tochter auf uns und....tausend Gründe und keine Zeit!

Traurig lächelnd und mit leicht schlechtem Gewissen gehe ich an dem alten Mann mit seiner schwarz-weißen Katze vorbei, Richtung Abstellplatz der Einkaufswagen.
Und da, direkt vor mir auf dem Boden, liegt ein weißer, abgenutzter, aber immer noch funktionsfähiger Plastik Euro!
Ich hebe ihn auf, schiebe ihn in den Schlitz und befreie den Einkaufswagen aus der Schlange.
Mit dem echten Euro immer noch in der Hand, gehe ich ganz nah an dem Leierkasten Mann vorbei. Als ich ihm direkt in die grauen verwaschenen Augen schaue, lächelt er mich schüchtern an und sein altes Gesicht legt sich in tausend Falten.
"Universum!" denke ich "Manchmal bist du einfach nur grandios und deine prompte Lieferungen hauen sogar einen alten, abgebrühten Besteller wie mich von den Socken!"
Ich strecke die Hand aus und drücke dem alten Mann den Euro in die Hand. Sein schüchternes Lächeln verwandelt sich in ein strahlendes Lachen. "Merci Madame!" sagt er mit ganz viel Wärme in der Stimme. "Que Dieu vous bénisse" Gott schütze Sie!

Wenn mich das Universum so unterstützt, immer wieder gerne!


PS:Habt Ihr auch eine Universumsgeschichte? Dann schickt sie mir! Ich nehme sie gerne in meine Sammlung auf.
PPS: Über jeden Kommentar freue ich mir ein Loch in den Bauch. Also ran an die Tastatur!

2 Kommentare:

Mött hat gesagt…

Eine sehr schöne Geschichte.:)
Ich bin immer wieder ganz baff, wenn ich so etwas erlebe. Und so oft und so offensichtlich wie bei Dir passiert es ja auch nicht immer, zumindest mir nicht. Oder vielleicht habe ich auch einfach nicht immer die richtige Antenne dafür. ;)

Tina hat gesagt…

es sind wohl die kleinen Dinge im Leben, die es so lebenswert und sympatisch machen.
Vielen Dank auch für die immer wieder netten Geschichten, die ich auf deinem Blog entdecke- ich mag sie sehr,
lG Tina

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Kommentare salzen meine Bloggersuppe ...

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